Debatte um Schulöffnungen in Berlin: Abstand nehmen vom Abstand halten

Der Bildungsausschuss diskutiert in einer Sondersitzung über die Öffnung von Kitas und Schulen. Zweifel an der Personalkalkulation.

Sie sind bald wieder da: Die SchülerInnen kehren zurück in Berlins Schulen Foto: Andreas Gora

BERLIN taz | Die Debatte fiel dann doch recht zahm aus – wohl weil selbst die Opposition am Mittwoch auf der Sondersitzung des Bildungsausschusses nicht grundfalsch finden konnte, was Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Vortag im Senat zu den weiteren Schul- und Kitaöffnungen erklärt hatte. „Sie haben da unsere volle Rückendeckung“, sagte sogar der FDP-Vertreter Paul Fresdorf, der sonst eher in der Abteilung Attacke spielt denn in der Verteidigung.

Am Dienstag hatte Scheeres gesagt, dass alle Schulen nach den Sommerferien zum Regelbetrieb zurückfinden sollen. Das heißt: Jedes Kind geht jeden Tag in die Schule, und auch Nebenfächer wie Kunst und Musik sollen wieder unterrichtet werden. Die Kitas sollen sogar schon am 22. Juni wieder in Vollbetrieb gehen – also Kita für alle Kinder, täglich, inklusive Früh- und Spätdienst.

Es sei klar, sagte Scheeres, dass in den Schulen „der 1,5-Meter-Abstand dann nicht mehr gelten kann“. Wie denn die ExpertInnen aus der Wissenschaft dazu stünden, ob man deren Meinung gehört habe, wollte der CDU-Abgeordnete Dirk Stettner wissen.

Selbstverständlich telefoniere sie mit dem Virologen Christian Drosten, wenn sie Fragen habe, sagte Scheeres. Ob der jetzt Ja oder Nein zum Aufgeben der Abstandsregeln in den Schulen gesagt habe, wurde in ihren Ausführungen aber nicht so richtig klar, dafür redete sie sich über die CDU-Nachfrage zunehmend in Rage: Es sei ja nicht so, „dass wir uns im Senat keinen Kopf gemacht hätten“, sagte Scheeres. „Die Frage ist doch, will man die Schulen öffnen, ja oder nein.“ Und wenn man die Frage mit Ja beantworte, dann sei der 1,50-Meter-Abstand illusorisch. „Sonst müssten sie die Klassen wieder dritteln, und dann hat jedes Kind wieder nur ein oder zwei Tage die Woche Schule.“

Sollten die Schulen nach den Sommerferien wegen steigender Infektionszahlen doch wieder in einen Notbetrieb schalten müsse, habe man „einen Plan B in der Tasche“, sagte Scheeres. Dann gelte, dass in halber Klassenstärke unterrichtet werde. Die Hälfte des Unterrichts soll dann in der Schule, die Hälfte zu Hause stattfinden.

Auch fürs Homeschooling werde es dann verbindlichere Vorgaben geben als bisher: Alle SchülerInnen sollen mit verbindlichen Wochenplänen arbeiten, die Lehrkräfte sollen mindestens zweimal die Woche Kontakt zu ihren SchülerInnen aufnehmen. (taz)

Ein Testsystem aus mehreren Bausteinen

Verantworten will Scheeres die Schul- und Kitaöffnung mit einem Testsystem, das aus mehreren Bausteinen besteht. Unter anderem sollen sich Lehrkräfte und ErzieherInnen „bevorzugt“ testen lassen können, selbst bei geringen Verdachtsmomenten – zum Beispiel „wenn ich als Erzieherin ein verschnupftes Kind auf dem Arm hatte“.

Ob es nicht sinnvoll sei, alle 14 Tage Kinder wie Personal „durchzutesten“, wollte die FDP wissen. Nein, sagte Jugendstaatssekretärin Sigrid Klebba. „Da stehen Aufwand und Ergebnis in keinem Verhältnis.“

Fragen hatten die Abgeordneten auch zu Scheeres’ Personalkalkulation. Rund 20 Prozent der Lehrkräfte fehlten noch, so die Senatorin. „Welchen Puffer haben wir da“ für einen Vollbetrieb?, wollte die Grünen-Abgeordnete Stefanie Remlinger wissen. Die Gewerkschaft GEW kritisierte ebenfalls, dass die Öffnung bei der derzeitigen Personalausstattung „verantwortungslos“ sei. Scheeres indes gab sich zuversichtlich, dass es Ressourcen gebe, zum Beispiel auf Kosten von Förderunterricht zumindest den Fachunterricht sicherstellen zu können.

Unmut auch bei Eltern und Kitaträgern: Das Bündnis Kitakrise Berlin twitterte, die „praktische Umsetzung der Zielmarken“ sei mit dem einsetzbaren Personal nicht möglich. Der Evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord kritisierte in einem offenen Brief, es fehle an Personal für Früh- und Spätdienste und die „zur Unterstützung empfohlenen Pädagogik-Studierenden“ stünden, weil das Semester läuft, gar nicht zur Verfügung.

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