Ex-Polizist begründet Dosenwurf

Der angeklagte Ex-Polizist warf bei G20-Demo eine Bierdose auf Kollegen – aus Angst, wie er jetzt aussagte

„Ich hatte Schiss, selbst niedergeknüppelt zu werden“

Angeklagter

Ein in Hamburg vor Gericht stehender ehemaliger Polizist aus München hat einen Dosenwurf bei einem G20-Protest mit Angst vor einem Schlagstockeinsatz erklärt. „Ich hatte Schiss, selbst niedergeknüppelt zu werden“, sagte der 38-Jährige in einer Vernehmung der bayerischen Polizei, deren Protokoll am Mittwoch vor dem Amtsgericht Altona verlesen wurde. Bei einem privaten Besuch der Welcome-to-Hell-Demo am 6. Juli 2017 habe er mit seiner Freundin erlebt, wie die Polizei den Fischmarkt räumte. Die Beamten seien „brutal und ohne Anlass“ vorgegangen, erklärte die mitangeklagte 31-Jährige über ihre Verteidigerin.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor. Sie belegt ihre Vorwürfe mit Videoaufnahmen der Polizei. Die Sequenzen zeigen beide Beschuldigte bei der Tat in Zivilkleidung auf einer Brücke. Von dieser Brücke aus flog die Bierdose. Der Verteidiger des ehemaligen Polizisten betonte am Mittwoch, dass die Dose in einigen Metern Entfernung von den Beamten an der Unterführung aufs Pflaster geschlagen sei. Die Angeklagten bekräftigten, dass sie niemanden verletzen wollten.

Zu der Demo hatten linke Gruppen aufgerufen. Rund 12.000 Menschen versammelten sich und die Polizei stoppte den Abmarsch, weil sich nach ihren Angaben mehrere Tausend Teilnehmende vermummt hatten. Als die Beamten versuchten, die Vermummten abzutrennen, sei die Lage eskaliert, erklärte die Polizeiführung später vor einem Ausschuss der Bürgerschaft. Es seien mehr als 700 Straftaten verübt worden.

Die Ermittlungen hatten den Angeklagten nach eigener Aussage überrascht. Wenige Minuten nach dem Dosenwurf vom 6. Juli 2017 hatte er Spiegel.de ein kurzes Videointerview gegeben, in dem er seine Empörung über den Polizeieinsatz äußerte. Ein halbes Jahr später, am 11. Januar 2018, wurde er in München aus dem Dienst geholt und mit den Vorwürfen konfrontiert, wie aus dem Vernehmungsprotokoll weiter hervorgeht. Er sei sehr überrascht und aufgewühlt gewesen, bestätigte der Angeklagte. Er wurde erkennungsdienstlich behandelt und musste seine Dienstwaffe abgeben. Es war sein letzter Tag als Polizeibeamter.

In der Vernehmung hatte der Angeklagte erklärt, er sei in Hamburg geschockt gewesen. Angesichts des Polizeieinsatzes auf dem Fischmarkt habe er Panik bekommen. Der Richter bemerkte an dieser Stelle, dass er durch die Videoaufnahmen vom Geschehen einen anderen Eindruck habe: „Sie beide stehen relativ entspannt da oben (auf der Brücke).“ Der Verteidiger des 38-Jährigen stellte klar, dass sein Mandant die Panik hatte, bevor er mit seiner Freundin auf die Brücke ging. Eine konkrete Aktion der Polizei, die den Dosenwurf unmittelbar ausgelöst haben könnte, konnten die Verteidiger nicht nennen.

Der Prozess soll nun am 26. Juni fortgesetzt werden. Der Anwalt des Ex-Polizisten kündigte an, dass er Freispruch für seinen Mandanten beantragen werde. (dpa)