Proteste gegen Brasiliens Präsidenten: Massive rassistische Polizeigewalt

Mit Jair Bolsonaro ist ein offener Rassist in Brasilien an der Macht. Der jahrhundertealte Konflikt wird dadurch noch befeuert.

Schattenumrisse von Menschen im Gegenlicht bei einer Demonstration

7. Juni, Rio de Janeiro: Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus Foto: Ricardo Moraes/reuters

In derselben Woche, in der der US-Amerikaner George Floyd von einem Polizisten brutal getötet wurde, starb auch der 14-jährige Afrobrasilianer João Pedro in einem Vorort von Rio de Janeiro, ein Polizist erschoss ihn bei einer Razzia. Im vergangenen September war die 8-jährige Agatha im Auto mit einem Schuss in den Rücken getötet worden. Der Schütze war Militärpolizist, Agatha war Schwarz. Von Januar 2016 bis März 2017 wurden in der Olympiastadt Rio nach offiziellen Zahlen 1.277 Menschen bei Polizeiaktionen getötet. Fast 90 Prozent davon Schwarze Menschen.

Brasilien hat ein massives Problem mit rassistischer Polizeigewalt. Die Bevölkerung des Landes, das als letzter amerikanischer Staat 1888 die Sklaverei offiziell abschaffte, setzt sich zu 56 Prozent aus Nachkommen von Sklaven zusammen. Sie verdienen mindestens 33 Prozent weniger als Weiße in vergleichbaren Jobs. 60 Prozent der Gefängnisinsassen sind Schwarz. Schwarze sind unterdurchschnittlich in öffentlichen Ämtern oder in Universitäten vertreten, obwohl es seit 2001 sogar eine Quote gibt.

Obwohl es in Brasilien zahlenmäßig nicht nur mehr Opfer von Polizeigewalt gibt, sondern mit über 75 Prozent auch prozentual mehr Schwarze davon betroffen sind, brauchte es als Anlass für landesweite Demonstrationen am Sonntag den jüngsten Fall rassistischer Polizeigewalt in den USA, damit Brasilien aufwachte. Der Claim „Black lives matter“ („Vidas negras importam“) ist auch in Lateinamerikas größtem Land keine Selbstverständlichkeit.

Beobachter glauben, dass der gewaltsame Tod Schwarzer Menschen nicht denselben Schockeffekt in der Öffentlichkeit hat, wie wenn Weiße betroffen sind. Ein über Jahrhunderte eingeübter Rassismus. Nun ist in Brasilien seit Januar 2019 mit Jair Bolsonaro ein offener Rassist an der Macht, der mit Sérgio Camargo einen Mann als Präsident der für Schwarze Kultur zuständigen Palmares-Stiftung einsetzte, der die Schwarze Bewegung als „verdammten Abschaum“ bezeichnet.

Eine Demonstration, im Vordergrund eine Frau mit erhobener Faust.

Demonstrationen fanden in viele brasilianischen Städten statt, hier am 5. Juni in Sao Goncalo Foto: Silvia Izquierdo/ap

Dass im Zuge der Coronakrise, von der das Land weltweit nach den USA am stärksten betroffen ist, die Proteste gegen Bolsonaro lauter werden, macht Hoffnung. Aber selbst wenn es in Brasilien gelingt, den Kampf gegen die Ungleichheit der Geschlechter, Klassen und Ethnien zu bündeln und den rechtsradikalen Präsidenten abzusetzen, und selbst wenn dann ein von vielen Rechten bereits geforderter Putsch des dank Bolsonaro wiedererstarkten Militärs ausbleibt – selbst dann wird die Ungleichheit von Schwarzen und Weißen noch lange nicht passé sein. Aber mit Bolsonaro im Amt – und seinem Gewalt gegen Minderheiten legitimierenden Diskurs – wird es erst recht nicht gehen.

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