Andreas Speit
Der rechte Rand
: Was die Corona-maßnahmen (nicht) mit Joseph Goebbels zu tun haben

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Die Proteste gegen die Coronamaßnahmen halten im Norden an. Am Samstag protestieren in Eckernförde rund 250 Menschen unter dem Motto „Aufstehen für Demokratie und Selbstverantwortung“. Bei bestem Wetter hörten Frauen und Männer, teilweise mit Kindern, an der Hafenspitze den Redner*innen zu.

Von einem kleinen Anhänger, der als Bühne diente, zog ein Mann eine historische Parallele. „Diese Goebbels-Rede ‚Wollt ihr den totalen Krieg‘, kennt ihr?“, fragte er rhetorisch, um weiter auszuführen: „Und das Volk hat ‚Ja!‘ geschrien, und ich höre das: ‚Wollt ihr den totalen Schutz?‘, und viele haben gesagt: ‚Wollen wir gerne‘.“ Ihm wurde nicht widersprochen.

„Solche Aussagen mit Bezug auf den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels bedeuten eine Gleichsetzung, die zu einer Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches führt“, sagt Torsten Nagel, der Leiter des Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (RBT) des AWO-Landesverbandes Schleswig-Holstein. Die vier Teams haben in den vergangen Wochen die Kundgebungen gegen die Maßnahmen beobachtet. Seit März gab es in Schleswig-Holstein rund 70 solcher Demons­trationen, unter anderem in Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster und Eckernförde.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Laut Nagel haben die Beratungsteams gegen Rechtsextremismus festgestellt, dass bei den Kundgebungen vordergründig die Grundrechtseinschränkungen kritisiert werden, aber immer wieder auch verschwörungsideologische Positionen sichtbar werden. Eine zen­trale Erzählung sei, dass die Bürger*innen durch eine vermeintliche „Coronadiktatur“ unterworfen werden sollten. Der „Impfzwang“ sei einer von vielen Indikatoren der drohenden Diktatur. Eine weitere Erzählung sei, dass Bill Gates das Virus erfunden habe, um erst die Bevölkerung zu verkleinern und dann die Überlebenden durch Zwangsimpfungen zu versklaven.

An der Hafenspitze in Eckernförde hielt am Samstag ein Teilnehmer ein Schild mit der Aufschrift „Schluss mit der Corona-Diktatur“ hoch. Der Veranstalter Leif Hansen warnte selbst vor Bill Gates. Bereits zum siebten Mal fand die Kundgebung in der über 700 Jahre alten Hafenstadt statt. Seit Längerem ist Hansen für den Verein „Mehr Demokratie“ aktiv. Zuvor war er Mitglied bei „Die Violetten“, „Die Linke“, der FDP und der AfD. Im Jahr 2015 trat er als Redner bei Pegida-Kundgebungen in Dresden und Leipzig auf.

Solche Aussagen bedeuten eine Relativierung der Verbrechen des Dritten Reichs

„Bei dem Protest kommen Menschen mit Sorgen und Ängsten in Berührung mit Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Rechtsextremismus“, sagt Nagel. Abgrenzung sei dringend geboten. Was im Westen mit Pegida nicht gelang, scheint nun zu gelingen: Neue Allianzen könnten entstehen. In Neumünster ist die NPD schon mit dabei.