Häusliche Gewalt häuft sich im Lockdown

Eine Studie zeigt: Zehn Prozent der Kinder und sieben Prozent der Frauen sind betroffen

In Familien in Coronaquarantäne ist es einer Studie zufolge zu einer auffälligen Häufung von Gewalt gegen Frauen und Kindern gekommen. 10,5 Prozent der Kinder und 7,5 Prozent der Frauen, die sich zu Hause in Quarantäne befanden, wurden Opfer körperlicher Gewalt, wie die am Dienstag von der Technischen Universität (TU) München veröffentlichte erste große Studie zu Erfahrungen von Frauen und Kindern in Deutschland in der Coronazeit ergab.

Den durch eine repräsentative Umfrage ermittelten Daten zufolge berichteten 3,6 Prozent aller Frauen, in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen von ihrem Ehemann oder Lebensgefährten vergewaltigt worden zu sein. 3,1 Prozent aller Frauen gaben an, mindestens einmal eine körperliche Auseinandersetzung wie Schläge erlebt zu haben. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder körperlich bestraft.

Die Gefahr, zum Gewaltopfer zu werden, stieg demnach aufgrund von äußeren belastenden Faktoren an. Neben dem besonders engen Zusammenleben in Quarantäne waren dies auch finanzielle Sorgen. In Familien, in denen einer der Partner aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit war oder seine Arbeit verlor, erlitten laut der Befragung 5,6 Prozent der Frauen und 9,3 Prozent der Kinder körperliche Gewalt.

Überdurchschnittlich stark fiel die Gewalt auch in Familien mit jüngeren Kindern unter zehn Jahren aus. Dort waren 6,3 Prozent der Frauen und 9,2 Prozent der Kinder von Übergriffen betroffen. Am stärksten ausgeprägt war die Gewalt in Familien, wo ein Partner Angst oder Depressionen hatte – hier wurden 9,7 Prozent der Frauen und 14,3 Prozent der Kinder Gewaltopfer.

Neben der körperlichen Gewalt ermittelten die Forscher auch emotionale Gewalt. So regulierten fast 5 Prozent der Männer die Kontakte ihrer Ehefrauen, darunter auch digitale Kontakte über WhatsApp, Telegram oder andere Messengerdienste. 3,8 Prozent der Frauen fühlten sich von ihrem Partner bedroht, 2,2 Prozent durften ihr Haus nicht ohne die Erlaubnis des Partners verlassen.

Den Forscher*innen zufolge sind die jetzt erhobenen Zahlen nicht mit Daten aus der Zeit vor der Pandemie zu vergleichen, weil bisherige Studien nach Gewalterfahrungen innerhalb längerer Zeiträume fragten und nicht wie in diesem Fall nach wenigen Wochen.

Für die Studie befragten die Technische Universität München und das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung rund 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren online nach ihren Erfahrungen. Die Daten wurden zwischen dem 22. April und 8. Mai erhoben. Ihre Ergebnisse bilden somit die Phase der strengsten Kontaktbeschränkungen in Deutschland ab.

Seit dem Lockdown hatten Frauenorganisationen eine Zunahme häuslicher Gewalt hierzulande befürchtet. Das Phänomen ist statistisch allerdings schwer erfassbar, weil es sich auf einen vermutlich großen Dunkelfeldbereich erstreckt.

In vielen Fällen, davon gehen Expert:innen aus, zeigen Opfer die Täter nicht an. Dennoch hatten beispielsweise Mitarbeitende von Hilfetelefonen sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern weltweit von einer gestiegenen Zahl von Anrufen seit dem Lockdown berichtet. (afp, pat)