Und dann war der Reichstag weg!

Christo, der vor 25 Jahren den Reichstag verhüllte, ist gestorben

Ein Symbol für die neue Offenheit Berlins: der von Christo verhüllte Reichstag Foto: Wolfgang Volz/laif

Wer vor 25 Jahren vor dem verhüllten Reichstagsgebäude in Berlin stand, wird den Anblick vermutlich sein Lebtag nicht vergessen. Nach langer und leidenschaftlicher Debatte und jahrzehntelanger Vorarbeit durften Christo und Jeanne-Claude das historische Bauwerk mit riesigen silbergrauen Stoffbahnen einpacken. Für viele Besucher und Berliner fühlte es sich an, als sei am 24. Juni 1995 ein Raumschiff in der neuen Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands gelandet. Am Sonntag ist Christo im Alter von 84 Jahren gestorben.

Die Wiese vor dem Reichstagsgebäude war zwei Wochen lang übersät mit fröhlichen und verzauberten Menschen. Diese Stelle im Zentrum der so lange geteilten Stadt war plötzlich der neue Mittelpunkt einer selbstbewussten Metropole, in der erst wenige Jahre zuvor eine todbringende Mauer zu Fall gebracht worden war. Dort, am Rande des weitläufigen Tiergartens, fand mit Christos Projekt ein wahres Sommermärchen statt. Berlin machte sich auf, eine neue Stadt zu werden – weltoffen, unprätentiös und irgendwie doch voller verrückter Dinge.

Eine Art Sommermärchen

Der Bundestag hatte im fernen Bonn leidenschaftlich über das Projekt gestritten. Schließlich bekam die Drucksache 12/6767 „Verhüllter Reichstag – Projekt für Berlin“ in namentlicher Abstimmung eine Mehrheit: 292 Abgeordnete waren für Christos Projekt, 223 dagegen, 9 Parlamentarier enthielten sich. Nach einer Woche Aufbau wurde der „Wrapped Reichstag“ ­schließlich im Juni 1995 für 14 Tage zum Volksfest und zum Weltkulturereignis mit 5 Millionen Besuchern. (epd)

taz zwei