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Politische Wespennester

Das Projekt „Deutschland summt“ brachte Honigbienen über die Häupter der Entscheider. Wildbienen haben
eine andere Lobby: Die „Bienenretter“ arbeiten mit Onlineshop und umgebauten Kaugummi-Automaten

Von Ansgar Warner

Deutschland summt, und zwar von ganz oben her: Über den Köpfen der Hauptstadtpolitiker schwirren Bienen, denn im Innenhof eines der Parlamentsgebäude wird seit fünf Jahren geimkert. Wie passend, schließlich wurde im Reichstag vor fast hundert Jahren ein Gesetz erlassen, das die heimische Honigbiene Apis mellifera zum „Nutztier“ erklärt.

Doch den Immen geht es schlecht, vor allem auf dem Land: Zu schaffen machen ihnen Monokulturen wie Pestizide. In der Stadt dagegen, nicht nur auf prominenten Gebäuden der Hauptstadt, findet man immer mehr Bienenstöcke, und immer mehr Menschen engagieren sich, das Überleben der Bestäuber-Insekten zu sichern.

Viel dazu beigetragen hat „Deutschland summt“, angestoßen von Corinna Hölzer. Die Berliner Biologin ist zwar Expertin für angewandten Artenschutz, auf ihr heutiges Leitthema kam sie aber eher über Umwege: „Mit Bienen hatte ich gar nichts zu tun, nicht mal indirekt, es gab auch keinen Opa, der imkerte oder so etwas.“

Stattdessen stand am Anfang der Entschluss, ökologisches Wissen nutzbringend in die Gesellschaft zu tragen. Dabei sollte zunächst eine Medienagentur für nachhaltige Entwicklung helfen, dann die Gründung der „Stiftung für Mensch und Umwelt“ – doch wie schafft man Aufmerksamkeit für ein Thema wie natürliche Vielfalt?

„Wir wollten eben Naturschutz nicht nur für Naturschützer machen, sondern möglichst viele Menschen ansprechen.“

Dann entdeckten Hölzer und ihre Mitstreiter die Biene als Botschafterin für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Oder besser gesagt, die Biene als Lobbyarbeiterin. Denn das 2010 an den Start gebrachte Projekt „Berlin summt“, später erweitert zu „Deutschland summt“, stach von Anfang an ganz bewusst in politische Wespennester, zunächst in der Hauptstadt: „Wir sind auf die Idee gekommen, Bienen zu den Entscheidern zu bringen und die Hausherren auch dabei einzuspannen, für mediale Öffentlichkeit zu sorgen.“ Das hatte noch niemand versucht und brauchte viel Überzeugungsarbeit. Mit Bienen sind auch Ängste verbunden, etwa die Angst, gestochen zu werden. Doch Honigbienen liefern auch Honig, und dieses Lockmittel scheint zu wirken. Die jedes Jahr erwirtschafteten Gläschen mit der Aufschrift „Bundestagsblüte“ sind hochbegehrt.

Der sichtbare Erfolg am prominenten Ort wirkte auch auf die Akteure: „Die Hobbyimker wurden neugierig und sagten, wir wollen da rauf.“ Das klappte so gut, dass Bienenkästen inzwischen nicht nur auf anderen hohen Häusern der Hauptstadt stehen, neben dem Reichstag etwa auf dem Berliner Landesparlament, sondern auch in vielen anderen großen und kleinen Städten landauf, landab.

Der Anfangserfolg beflügelte dazu, immer neue Wege zu gehen. „Wir haben mittlerweile 36 verschiedene Aktionsformen“, so Hölzel, „immer mit dem Ziel, zu informieren, zu inspirieren und zu mobilisieren.“ Darunter ein Bienenbuch, eine Wanderausstellung zu Wildbienen und ein „Bienenkoffer“. Das tragbare Infopaket gibt es in zwei Ausführungen: für Schul- und für Kitakinder.

Die Aktivitäten von „Deutschland summt“ drehen sich um die Bedürfnisse der Bienen und sind damit nah an Fragen zur Stadtnatur. Bienen brauchen Blühpflanzen, also her damit! Pflanzwettbewerbe gehören zu den beliebtesten Aktionen, bei denen die Teilnehmer Fotos von ihren blühenden Gärten oder Balkons einsenden. Das geht auch in Coronazeiten. Am 14. September soll die Prämierungsfeier des Pflanzwettbewerbs steigen, hoffentlich wieder ohne Einschränkungen.

„Deutschland summt“ wendet sich an Menschen in der Stadt, obwohl man auch argumentieren könnte, dass die eigentlichen Probleme in den landwirtschaftlich genutzten Zonen bestehen. Hölzer ist aber dagegen, „Stadtbienen“ gegen „Landbienen“ auszuspielen: „Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir mit den Städtern arbeiten, hier leben die meisten Menschen, hier werden die meisten von der Landwirtschaft erzeugten Nahrungsmitteln konsumiert, und hier sitzen eben auch die Entscheider.“ Im Vergleich zu Honigbienen gestaltet sich der Einsatz für Wildbienen schwieriger: kein Honig, keine Lobby.

Die mehr als 500 hierzulande heimischen Arten mögen zwar schöne Namen tragen wie Hosenbiene oder Seidenbiene, doch die notorischen Einzelgänger fallen im Alltag nicht auf. Obwohl ihr Beitrag zur Blütenbestäubung wichtiger Pflanzengattungen nicht unerheblich ist – und sie zudem viel harmloser sind, weil ihr schwacher Stachel menschliche Haut gar nicht durchdringen kann. Da viele von ihnen auf ganz besondere Blühpflanzen angewiesen sind, kann man ihnen mit der Aussaat spezieller Mischungen aber auf sehr einfache Weise helfen. Nisthilfen aus Holz, Stroh und Lehm – die sogenannten Insektenhotels – können natürlich auch nicht schaden.

Mancherorts werden bienenfreundliche Pflanzsets übrigens sogar schon am Automaten angeboten: Die Frankfurter Initiative „Bienenretter“ betreibt nicht nur einen Onlineshop mit solchen Sämereien, sondern nutzt auch umgebaute Kaugummi-Automaten. Wer solch einem quietschgelben Gerät begegnet, kann also nach Geldeinwurf gleich loslegen mit dem Retten der Immen.

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bienenretter.de