BGH zu richterlicher Unabhängigkeit: Rüge für Richter akzeptiert

Thomas Schulte-Kellinghaus ist gründlicher und damit langsamer als andere Richter. Er durfte deshalb ermahnt werden, entschied der Bundesgerichtshof.

Richter Thomas Schulte-Kellinghaus im Gerichtsaal

Macht sich keine Freunde mit seinem Arbeitsstil: Richter Thomas Schulte-Kellinghaus Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Ein Richter darf gerügt werden, wenn er zu gründlich arbeitet und deshalb erheblich weniger Fälle erledigt als seine Kollegen. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall des Richters Thomas Schulte-Kellinghaus.

Schulte-Kellinghaus ist Zivilrichter am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Er erledigt seit Jahren deutlich weniger Verfahren als andere OLG-Richter, weil er sich für den einzelnen Fall besonders viel Zeit nimmt. 2012 erhielt er deshalb eine Rüge von der damaligen OLG-Präsidentin Christine Hügel.

Schulte-Kellinghaus sah den Rüffel als Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Wenn es zu wenig Richter gebe, müsse der Landtag eben mehr Geld für Richterstellen bewilligen. Von ihm könne nicht verlangt werden, dass er seine Arbeitsweise den vorhandenen Ressourcen anpasse.

Der Richter klagt deshalb nun schon seit acht Jahren gegen die Rüge von 2012. Wie schon in den Vorinstanzen hat Schulte-Kellinghaus nun auch am Dienstgericht des Bundes beim BGH verloren. „Ein Dienstvorgesetzter darf einem Richter, dessen Arbeitsweise zu Unzuträglichkeiten in der Verfahrensabwicklung geführt hat, zu einer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnen“, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen am Dienstagnachmittag. Ein Eingriff in die Unabhängigkeit läge erst vor, wenn einem Richter ein Arbeitspensum abverlangt wird, das auch von anderen Richtern nicht sachgerecht zu schaffen ist.

Nächste Station: Verfassungsgericht

Nach der Niederlage beim BGH will Schulte-Kellinghaus seinen Fall zum Bundesverfassungsgericht bringen. Allerdings ist er schon 65 Jahre alt und wird im Juni 2022 pensioniert. Es besteht deshalb die Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht nicht rechtzeitig entscheidet und dann das Rechtsschutzbedürfnis entfällt.

Schulte-Kellinghaus' Anwältin Christina Gröbmayr richtete deshalb schwere Vorwürfe an den BGH, der sich 2017 schon einmal mit dem Verfahren beschäftigt hatte, dann aber den Fall zur Klärung von Detailfragen an die Vorinstanz zurückwies. Diese Zurückweisung sei völlig unnötig gewesen und habe drei Jahre Zeit gekostet, kritisierte Gröbmayr. „Es ist eine Ironie dieses Verfahrens, dass Herr Schulte-Kellinghaus zu schneller Erledigung angehalten wird, während der BGH das Gegenteil praktiziert“, so die Anwältin.

Die Klage von Schulte-Kellinghaus wurde in der Justiz mit großem Interesse verfolgt. Zwar legen alle Richter großen Wert auf ihre Unabhängigkeit. Allerdings enthält seine Argumentation den impliziten Vorwurf, dass Richter, die mehr Fälle erledigen als er, nicht gründlich genug arbeiteten. Außerdem führte Schulte-Kellingshaus' Arbeitsstil dazu, dass Kollegen einen Teil seiner Verfahren miterledigen mussten. Die Zahl seiner Anhänger in der Richterschaft ist daher sehr begrenzt.

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