berliner szenen
: Grüne Scherben, kein Glück

Es war eine Tradition am Ende der Ferien: Sie liebte es, Mini-Ableger einheimischer Pflanzen zu schmuggeln. In einer leeren Mineralwasserflasche, mit einem feuchten Taschentuch eingewickelt, transportierte sie sie im Handgepäck. Die Kontrolle überstanden sie immer. Ich hatte gelesen, dass so was innerhalb der EU erlaubt ist, sagte aber nichts, um die Aufregung solcher Momente am Flughafen nicht kaputtzumachen.

Ein dieser Ableger landete 2014 in meiner Küche. Eine Sukkulente. Mit den Jahren vermehrte sie sich und hatte fünf kleine Sukkulenten um sich herum. „Komm unsere Enkeltöchter besuchen“, sagte ich der Freundin und wir lachten. Zudem wurde die erste Sukkulente immer länger und neigte sich aus dem Regal dem Boden zu. „Wie vegetarische Dreadlocks“, sagte einmal jemand.

Die Sukkulente pflegte eine gute Beziehung zu ihrem direkten Nachbarn, dem Avocado-Baum, auch wenn er immer im Frühling zum Balkon umzieht und sie für einige Monate alleine lässt. Sie bleibt auf dem Regal am Fenster, weil ich mir eingebildet habe, dass die Welt draußen mit ihren Stürmen und Insekten zu hart für sie ist.

Neulich kam der Moment, dem Baum seinen Urlaub auf dem Balkon zu gestatten. Im selben Augenblick, als ich mich mit ihm in den Händen Richtung Tür drehe, fühle ich mich wie vom Blitz getroffen. Ich höre, dass hinter mir eine Katastrophe geschieht. Als ich mich traue hinzuschauen, sehe ich verstreute Erde überall und dann die Stücke, als sei die Sukkulente aus Glas gewesen. Grüne Scherben, die kein Glück bringen. Ob sie überleben wird? Das ist mein erster Gedanke, und damit meine ich sowohl die Pflanze als auch die Freundschaft. So traurig war ich lange nicht mehr gewesen. Doch ich schaffe es, mich zusammenzureißen, und rette, was zu retten ist.

Luciana Ferrando