EU-Rettungsplan in der Coronakrise: Hoch gepokert

Nur wegen der „geizigen vier“ darf die EU nicht scheitern. Europas Fortschritte fanden schon immer in Krisen statt.

vond der Leyen und andere im Europaparlament mit Masken

Mehr als eine Corona-Geste: Das EU Parlament will 500 Milliarden lockermachen Foto: Oliver Matthys/dpa

Es ist ein großer Moment für Europa: 750 Milliarden Euro will die EU-Kommission vor allem in jene Länder investieren, die von der Coronapandemie besonders hart getroffen wurden. Das ist beispiellos in der europäischen Geschichte.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass noch unklar ist, wie viel Geld am Ende fließt. Bisher ist es nur ein Vorschlag der Kommission. Die Zustimmung der EU-Regierungen steht noch aus, und die „geizigen vier“ – Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederlande – haben Widerstand angekündigt.

Die EU-Kommission pokert daher: Mit ihren 750 Milliarden Euro überbietet sie gezielt den Plan von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel, die einen Coronafonds von 500 Milliarden Euro gefordert hatten. Damals heulten die „geizigen vier“ auch schon auf, aber durch die EU-Kommission haben sich die Koordinaten verschoben: Der Plan von Macron und Merkel wirkt nun wie ein Kompromiss. Niederländern und Dänen wird die Möglichkeit eröffnet, substanziellen Hilfen zuzustimmen und zu Hause zu erzählen, sie hätten die Pläne der EU-Kommission und damit „das Schlimmste“ verhindert.

So viel ist sicher: Europa wird auf seine ökonomische Zukunft nicht verzichten, nur weil die Niederländer oder Dänen gerade schlecht gelaunt sind

Geld wird jedenfalls fließen. Denn die Coronakrise hat geopolitische Folgen, die die Europäer nicht ignorieren können. Die USA und China pumpen jeweils Billionen Dollar in ihre Wirtschaft, um die Unternehmen zu stabilisieren. Da wäre es keine gute Idee, wenn Deutschland als einziges großes EU-Industrieland genug Geld hätte, um seine Firmen zu retten. Die EU würde für immer abgehängt.

Es ist keine fiktive Sorge, dass Europa den Anschluss verliert – sondern Realität. Die EU-Kommission wies mehrfach auf eine Statistik hin, die das Drama offenbart: Aus Deutschland stammt fast die Hälfte aller Anträge, dass die Regierung die heimischen Firmen unterstützen darf. Vielen anderen EU-Ländern fehlt das nötige Geld, um ihre Unternehmen durch die Coronapandemie zu bringen.

So viel ist sicher: Europa wird auf seine ökonomische Zukunft nicht verzichten, nur weil die Niederländer oder Dänen gerade schlecht gelaunt sind. Es werden Milliardensummen fließen, die vor drei Monaten noch völlig undenkbar gewesen wären.

Aber so war Europa schon immer: Die großen Fortschritte finden mitten in der Krise statt. Auch die EU gibt es nur, weil Frankreich 1956 eine Auseinandersetzung um den Suezkanal verloren hatte – und sich anschließend nach neuen Bündnispartnern umgesehen hat. Die Coronapandemie kann für Europa ebenfalls eine Chance sein.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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