Schwangerschaftsabbruch während Corona: Warten auf die Abtreibung

In Bremerhaven gibt es niemanden, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt, in Bremen bietet Pro Familia nur noch die Hälfte der Termine an.

Eltern mit Kinderwagen gehen in Dublin an einem Poster der Künstlergruppe Subset vorbei, das mit der Aufschrift "Ihr Körper Keine Wahl" zu einer Reform der Abtreibungsgesetze aufruft.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland legal – aber Ärzt*innen fehlen Foto: Brian Lawless / dpa

BREMEN taz | Zwei Wochen müssen Frauen derzeit auf einen Termin für einen Schwangerschaftsabbruch im medizinischen Zen­trum von Pro Familia in Bremen warten. Das ist ein großes Problem, weil hier fast alle Abtreibungen im Land Bremen vorgenommen werden, 2019 waren es 85 Prozent.

„Wir können wegen des Infektionsschutzes und der Abstandsgebote nur noch etwa zehn Termine am Tag machen“, sagt die Geschäftsführerin des Pro Familia Landesverbands Monika Börding. Vor der Pandemie seien es 18 bis 20 pro Tag gewesen.

Frauen, deren Schwangerschaft seit mehr als zehn Wochen nach der letzten Regelblutung besteht, würden sie deshalb an andere Ärzt*innen und Kliniken in Bremen, aber auch in Hamburg verweisen. Denn wenn die Frist nach der 14. Woche überschritten wird, werden Abtreibungen in der Regel nur noch erlaubt, wenn das Kind voraussichtlich behindert sein wird.

„Ob sie dort Termine bekommen, wissen wir nicht, wir hoffen es aber sehr“, sagt Börding. Wie viele Frauen betroffen seien, könne sie nicht genau sagen. Eine Mitarbeiterin habe an anderthalb Tagen zehn Frauen bitten müssen, anderswo nach einem Termin zu fragen.

Kein Arzt in Bremerhaven

Noch dramatischer ist die Situation für Frauen in Bremerhaven. Denn während in Bremen vereinzelt Ärzt*innen einen meist medikamentösen, seltener chirurgischen Abbruch anbieten, gibt es in Bremens Schwesternstadt derzeit niemanden.

Das sei kein neues Problem, sagt Börding von Pro Familia. „Es gibt dort nur einen Arzt, der aber auch schon über 70 ist. Wenn er im Urlaub ist oder aus anderen Gründen nicht so viel arbeiten kann, müssen die Frauen nach Bremen oder weiter fahren.“ Ab Mitte Juni werde er voraussichtlich wieder zur Verfügung stehen – auf lange Sicht brauche es aber mindestens einen zweiten Arzt oder eine zweite Ärztin.

Für viele Bremerhavenerinnen sei die Fahrt nach Bremen eine große Hürde, sagt Mareile Broers, Leiterin der Pro Familia Beratungsstelle in Bremerhaven. „Viele haben auch in normalen Zeiten Angst, in eine andere Stadt zu fahren“, sagt Broers. Jetzt komme die Sorge vor Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln noch hinzu.

Wobei Bus und Bahn nicht in Frage kommt, wenn der Eingriff in Vollnarkose gemacht wird. Die Frauen sollen sich dann mit dem Auto bringen und abholen lassen. Zudem könnten sich viele die Fahrt in andere Städte nicht leisten, so Broers. Das Land erstattet zwar die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch, nicht aber für die Reise.

Versorgungslücken schon vorher zu groß

Keine Engpässe gibt es laut einer aktuellen Senatsmitteilung bei den gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen vor Schwangerschaftsabbrüchen. Diese würden persönlich vor Ort und am Telefon durchgeführt. Möglich wäre auch die Nutzung digitaler Medien. Dafür fehle es aber „sowohl den Beratungsstellen als auch den Frauen an technischer Ausrüstung“, teilt der Senat mit.

Verschiedene Organisationen warnen seit Beginn der Pandemie-Maßnahmen davor, dass Frauen der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen erschwert und in einigen Regionen ganz verstellt sein könnte – weil die Versorgungslücken schon zuvor so groß waren. So kommt etwa die Hälfte der Patientinnen des medizinischen Zentrums in Bremen aus Niedersachsen.

Eine Forderung von Verbänden wie Doctors for Choice und Pro Familia lautet daher, den medikamentösen Abbruch bis zur neunten Woche zu Hause zu erlauben. In Deutschland müssen Frauen die Medikamente unter ärztlicher Aufsicht einnehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.