Mehr Platz für bedrohte Frauen

Die ersten Frauen können schon bald ins neue 6. Frauenhaus einziehen. Die Linke fordert 200 weitere Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, Mitarbeiter*innen klagen bereits über Personalmangel

Man könne mit den bestehenden Strukturen ausreichende Betreuung anbieten, sagt die Sozialbehörde

Von Sarah Zaheer

Die ersten Frauen können schon bald im neuen 6. Hamburger Frauenhaus einziehen. Vielleicht noch in dieser Woche, sagt Mitarbeiterin Maria-Lorena Einfeldt. 32 Plätze hat das Haus, somit stehen in der Stadt nun 240 Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder zur Verfügung. Und die Fraktion der Linken fordert in einem Antrag zur heutigen Sitzung der Bürgerschaft noch 200 weitere Frauenhausplätze in Hamburg. Dabei klagen Mitarbeiter*innen bereits in den bestehenden Häusern über Personalmangel.

In dem Antrag der Linken wird der Senat aufgefordert, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – die sogenannte Istanbul-Konvention – umfassend umzusetzen. Die Sozialbehörde ermöglichte bereits wegen des Coronavirus die kurzfristige Bereitstellung von weiteren Räumlichkeiten, um im Bedarfsfall Frauen isolieren zu können.

„Die aktuellen Sofortmaßnahmen zeigen, was möglich ist, wenn der politische Wille da ist. Es ist Zeit, die Strukturen auch langfristig und nachhaltig zu stärken“, fordert Cansu Özdemir, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Dafür sei neben dem Ausbau von Frauenhausplätzen auch die Förderung der „Forschung zu allen erfassten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt“ nötig. Außerdem wird in dem Antrag vorgeschlagen, eine Stelle für die Registrierung von Femiziden einzurichten. Diese solle „unabhängig von staatlichen Behörden und Polizeien“ sein, „da sich diese bisher verweigern, Femizide überhaupt anzuerkennen“, erklärt die Linke auf Anfrage der taz.

Die Forderungen der Linken seien „in großen Teilen deckungsgleich“ mit denen der Frauenhäuser, sagt Einfeldt. Doch mit der Ausweitung der räumlichen Kapazitäten fehle es an Personal. „Wir arbeiten in Hamburg mit einem durchschnittlichen Betreuungsschlüssel von 1:8“, sagt sie. Empfohlen sei jedoch eine Betreuung von vier bis sechs Personen pro Betreuer*in.

„Wir haben kein zusätzliches Personal eingestellt. Dies ist auch nicht geplant“, sagt Martin Helfrich, Pressesprecher der Sozialbehörde. Man könne mit den bestehenden Strukturen ausreichende Betreuung anbieten. Nach Angaben der Behörde seien die zusätzlichen Plätze bereits mehrheitlich belegt, es stünden weitere zur Verfügung.

In dem Antrag der Linksfraktion findet sich kein Hinweis dazu, wie die 200 zusätzlich geforderten Plätze in Bezug auf Personalfragen zu realisieren wären. Auf Nachfrage heißt es, dass es „definitiv auch eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels“ brauche. Man habe dies bereits Ende 2018 gefordert. Der entsprechende Antrag sei in der Bürgerschaft abgelehnt worden.

Dass die Coronapandemie wegen der Isolation zu Hause zur Zunahme von Gewalt in Familien und Partnerschaften führt, war in Hamburg bislang nicht erkennbar. „In der 24/7-Anlaufstelle melden sich viele Frauen, die die Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme und des Exits in Zeiten von Corona und den Kontaktbeschränkungen thematisieren“, sagt hingegen Einfeldt. Mit den Lockerungen rechne man mit einer Zunahme von Hilfesuchenden.

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016; Zentrale Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser: 040 / 8000 4 1000