Trotz Corona im Kollektiv: Rückzugsort in Karlshorst

Das DieselA-Kollektiv hat sich eine Berliner Brache angeeignet, dort will es einen Wagenplatz aufbauen. Küche Kompostklo und Briefkasten stehen schon.

Engang zum Wagenplatz in Berlin-Karlshorst

Offen für die neue Nachbarschaft: Infotafel an der Brache Foto: Darius Ossami

Die Besetzer*innengruppe „DieselA“ hat erneut eine Brach­fläche in Karlshorst in Beschlag genommen, unweit des Betriebs­bahnhofs Rummelsburg. Die queer­feministische Gruppe von etwa einem Dutzend Menschen hat sich gut vorbereitet: Nach wenigen Stunden sind am Sonntagmorgen rund 100 Quadratmeter der Wiese mit einem mitgebrachten Zaun gesichert. Am Montag steht schon eine improvisierte Küche am Rand, ein Wohnzimmer wird gebaut, auch das Kompostklo ist schon errichtet. Zu der kleinen Straße hin gibt es eine Infowand mit Flugblättern für die Anwoh­ne­r*in­nen und sogar einen ­Briefkasten.

Nun döst die kleine Gruppe zufrieden in der Sonne. Von Besetzung wollen Anna und Mascha nicht sprechen: „Wir haben das Grundstück bezogen“, erklären die Sprecherinnen bei kaltem Kaffee mit Hafermilch. Die Polizei sei nur kurz vorbeigekommen und habe erklärt, sie müsse die Sache prüfen. Die Gruppe ist offen für Verhandlungen und will die Nachbarschaft einbeziehen.

Von Nachbar*innen gab es zunächst nur vereinzelte Reaktionen; sie reichten von Glückwünschen über besorgte bis mürrische Äußerungen. Der größte Teil der Wiese ist nach wie vor zugänglich; vereinzelt sind dort Joggerinnen oder Leute mit Hunden zu sehen.

„DieselA“ hatte zuletzt Ende September ein Gelände der Deutschen Bahn in Marzahn besetzt, das aber nach drei Wochen durch ein Großaufgebot der Polizei geräumt wurde. Obwohl die Bahn viele Freiflächen in Berlin besitzt, hatte sich das Unternehmen kategorisch geweigert zu verhandeln. Gerade im Winter sei es für die Gruppe schwierig gewesen, ohne Platz und Infrastruktur zu leben. Sie nutzte die Zeit, um sich neu zu organisieren und eine Homepage zu erstellen. Dann kam Corona: „Viele andere Wagenplätze haben dichtgemacht und sind richtig voll“, sagt Anna.

Abstand als Privilegium

Aber ist es nicht riskant, gerade jetzt einen neuen Platz zu besetzen? „Die ­Corona-Richtlinien zielen nur auf bestimmte Bevölkerungsschichten ab“, antwortet Anna. „Es ist kaum möglich, sich daran zu halten, wenn man nicht privilegiert ist.“ Unter prekären Lebensbedingungen seien Abstandsregeln und Hygienevorschriften schwer umzusetzen. „Alle sagen, bleibt zu Hause. Aber wo bleiben wir?“ Für Menschen auf der Straße sei es nun schwieriger, an Wasser zu kommen oder sich zu waschen. Corona sei „erst recht ein Grund, sich gemeinschaftlich zu organisieren“, findet Anna.

Mit dem Wagenplatz haben sie nun einen gemeinsamen Rükzugsort und immerhin Wasser aus dem Kanister, zudem seien sie „Corona-aware“: Für Hygiene wird mit Masken und einer Waschstation am Eingang gesorgt, es gibt Desinfek­tionsmittel und Seife. Alle haben eigenes Besteck und Geschirr. Es sei „safer als vorher“, ist sich Anna sicher.

Als Nächstes wollen sie Wagen herbringen, eine Infrastruktur und ein kollektives Leben aufbauen und sich mit der Nachbarschaft in Verbindung setzen. Wohnen und Solidarität seien Grundbedürfnisse, gerade in Coronazeiten. „Ich will einen gemeinsamen Alltag, man soll sich trauen, sich gemeinsam zu organisieren“, erklärt Anna. Die Gruppe zeigt sich „offen für jede Art von Verhandlung“. Das könne auch eine Zwischennutzung sein.

Anna war schon bei der letzten „Aneignung“ dabei. Nach der Räumung des Platzes in Marzahn habe es eine parlamentarische Anfrage zur Verhältnismäßigkeit der Räumung gegeben. „Auf die Frage, ob ein Ersatzgrundstück angeboten wurde, hieß es nur knapp: Nein. Aber wir haben uns nicht in Luft aufgelöst.“

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