„Tatort“ aus Stuttgart: Die Bedrohung lauert im Freien

Die Kommissare Lannert und Bootz jagen einen anonymen Heckenschützen. Ein „Tatort“ mit spannendem Konzept, der Ermittlungsarbeit realitätsnah zeigt.

Das erste Mordopfer im Fadenkreuz Foto: SWR Presse/Bildkommunikation

Abermals könnte jene Zeile aus einem Trauergedicht Anwendung finden, die 2009 schon einer NDR-„Tatort“-Folge den Titel lieh: „Es wird Trauer sein und Schmerz.“ Kommissarin Lindholm bekam es im Raum Braunschweig mit einem Heckenschützen zu tun, der scheinbar wahllos Menschen ermordete. In der aktuellen, vom SWR beigesteuerten Episode „Du allein“ sind die Tatmerkmale ähnlich.

Die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz erhalten einen anonym abgesandten Brief, darin nur eine Ziffer: 1. Zu diesem Zeitpunkt ist das erste Opfer, eine Investigativjournalistin, noch am Leben, nimmt auf der Straße eine Postsendung entgegen, betritt die Stufen zur Haustür. Sie wird ihre Wohnung nicht mehr erreichen.

Der Stuttgart-„Tatort“ „Du allein“ läuft am So., 24. Mai 2020 um 20.15 Uhr im Ersten.

Der Täter oder die Täterin hinterlässt eine Patronenhülse, in die eine Eins eingraviert wurde. Ein Erpresser*innenschreiben trifft ein: Drei Millionen Euro, oder aus der Einzeltat wird eine Serie. Die Lösegeldübergabe ist aus Täter*innensicht der gefährlichste Teil, der durchdacht sein will. Eine knifflige Aufgabe auch für den jeweiligen Drehbuchautor oder die -autorin, in diesem Fall Wolfgang Stauch, der eine raffinierte Lösung ausgeheckt hat.

Stauch und Regisseurin Friederike Jehn wissen die Tallage Stuttgarts zu nutzen. Über die Jahre ist die Bebauung die Hänge hinaufgewandert, zahlreiche Hochbauten bestimmen das Stadtbild. Im Wissen darum, dass irgendwo in der Höhe ein Scharfschütze oder eine Scharfschützin lauern könnte, flößen offene Räume entgegen der sonstigen Wahrnehmung nun Angst ein.

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Man sieht es Lannert an, wenn er nächtens in der zweistöckigen Schulstraße, eine der ersten Fußgängerzonen Deutschland, argwöhnisch von unten nach oben äugt. Ein Blickwinkel, der als visuelle Antizipation schon im ambitioniert gestalteten Vorspann eingenommen wird, während die Kamera später, oft im belebten Schlossplatzbereich, immer wieder in die mögliche Täterperspektive wechselt.

Inhaltlich gibt es eine Entsprechung in der Agoraphobie eines Tabakladenbesitzers, dessen Rolle in der Geschichte erst peu à peu enthüllt und an dieser Stelle unter dem Deckmantel der Diskretion asserviert wird.

In Friedemann Fromms NDR-„Tatort“ betraf die Bedrohung den privaten Raum, Stauch und Jehn verlagern sie ins Freie. Ein spannendes Konzept, gelungen umgesetzt, auch durch die Darstellung der polizeilichen Ermittlungsarbeit, die abweichend vom gängigen „Tatort“-Muster realitätsnah als Gruppenarbeit gezeigt wird.

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