Ein Lager wächst in den Himmel

In Wilhelmsburg entsteht die erste mehrstöckige Lagerhalle in Deutschland. Es könnte ein Modell gegen zunehmende Bodenversiegelung sein – wenn sich die Politik dafür einsetzt

Im oberen Stockwerk sollen Lkw fahren können: Lagerhalle im Bau Foto: Andrea Maestro

Von Nathalie Haut

Für Lagerhallen werden riesige Flächen versiegelt. Statt in die Höhe, werden sie in die Breite gebaut, eingeschossig. In Wilhelmsburg entsteht jetzt die erste, auf zwei Ebenen gleichwertig nutzbare, Logistik­immobilie Deutschlands. Das bedeutet, dass bis zu 45 Tonnen schwere Lkw auch in die obere Etage fahren können. Der Immobilienentwickler Four Parx baut die Halle in einem bereits erschlossenen Industriegebiet. Früher hatte hier ein Getränkehersteller seinen Sitz.

In den vergangenen 20 Jahren ist im Durchschnitt jedes Jahr ein Vielfaches der Außenalster versiegelt worden, das heißt, im schlimmsten Fall betoniert oder bebaut worden. Umweltverbände wie der Nabu und der BUND haben das in der Vergangenheit immer wieder kritisiert und schließlich die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ gestartet.

Mit Erfolg: Weil daraus ein Volksentscheid zu werden drohte, hat der Senat vor einem Jahr mit dem Nabu einen Vertrag für Hamburgs Stadtgrün geschlossen. In weiten Teilen der Stadt müssen zugebaute Grundstücke seither flächengetreu ausgeglichen werden.

„Bundesweit schlägt Hamburg als erste Großstadt einen richtungsweisenden Weg ein, mit dem eine Verbindung zwischen Grünerhalt und Siedlungsentwicklung tatsächlich möglich ist“, sagte der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke nach der Einigung. Der rot-grüne Senat ist also unter Druck, insbesondere für die Flächen fressende Logistik neue Lösungen zu finden. Warum also gibt es in Hamburg nicht mehr mehrstöckige Lagerhallen?

Es geht ums Geld

Hans Jörg Schmidt, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, erklärt, die Regierung würde Unternehmen über das Baurecht zu einer effizienten Nutzung der Fläche lenken. „Bei der Wirtschaftsförderung, also der Bereitstellung von Flächen, wird großer Wert auf Flächeneffizienz gelegt“, sagt Schmidt. „Wir finden innovative Bauprojekte gut und unterstützen sie.“

Für die Unternehmen sei eine mehrgeschossige Halle jedoch mit hohen Kosten verbunden.„Der zweite Stock einer solchen Halle muss genauso tragfähig sein wie das Erdgeschoss, damit die Halle genauso nutzbar ist wie eine ebenerdige.“ Das stelle viele Unternehmen vor Herausforderungen aufgrund der Statik. Ein solcher Bau sei viel teurer als ein ebenerdiger. Deswegen bauten Unternehmen trotz der hohen Grundstückspreise weiter ebenerdig. Es ist der alte Konflikt: Wirtschaftlichkeit gegen Umweltschutz.

Four Parx kompensiere die höheren Baukosten mit den geringeren Flächenkosten, so Sönke Ingwersen, Sprecher des Unternehmens. Trotzdem würden die Mietkosten etwas höher ausfallen als im Durchschnitt für solche Gewerbeflächen.

Auch die Handelskammer befürwortet das Pilotprojekt. „Die Unterstützung von solchen Projekten ist wichtig, um den Standort Hamburg konkurrenzfähig mit dem Umland zu halten“, sagt Jan-Oliver Schmidt, Leiter des Geschäftsbereichs Infrastruktur bei der Hamburger Handelskammer. Es sei wichtig, dass sich Unternehmen in Hamburg weiter ansiedelten, um Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung bereitstellen zu können. Dafür sei vor allem das recyceln von Industrieflächen essenziell. Dennoch müsse die Stadt „weiterhin mehr Flächen für Gewerbe zur Verfügung stellen“, sagt Schmidt.

Sehen, ob der Test gelingt

Auch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation lobt das Projekt. Es sei wichtig, da das Flächenangebot für die Logistik­industrie immer geringer werde. „Das Pilotvorhaben ist jetzt in der Vermarktungsphase“, so die Behörde. „Der wirtschaftliche Vermarktungserfolg wird maßgeblich für die Konzeption von vergleichbaren Projekten sein.“ Die Nachfrage nach ­Logistikflächen sei in Hamburg insgesamt so hoch, dass ein erstes mehrstöckiges Projekt noch nicht wesentlich zur Marktentspannung beitragen könne. Ob es in Zukunft in Hamburg noch mehr zweistöckige Logistik­hallen geben wird, bleibt also abzuwarten.