Sommerferien 2020: Inländer raus?

Außenminister Maas wünscht sich einen „kontrollierten Wiedereinstieg in den europäischen Tourismus“. Aber ist das sinnvoll? Ein Pro & Contra zu Auslandsreisen in Coronazeiten und Berichte über die Lage in möglichen Urlaubsländern
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Korrekt baden gehen: in diesem Jahr gar nicht so leicht Illustration: Marian Kamensky

NEIN

Am besten badet man diese Sommersaison in einem See im Landkreis. In einer Badeanstalt im Stadtbezirk. An der Nordsee. An der Ostsee. Zumindest nicht so weit weg von zu Hause. Vergessen Sie in diesem Jahr bitte den Urlaub auf Sizilien, Kreta, den Färöer Inseln oder am Gardasee. Viele klassische Urlaubsziele erreicht man nur mit dem Flugzeug, der Bahn, dem Auto, dem Bus. Das könnte zurzeit gefährlich sein. Denn außer im eigenen Auto, das bei längeren Fahrten wiederum viel CO2 ausstößt, setzt man sich und seine Familie im Flieger und in den anderen Transportmitteln der Infektionsgefahr aus.

Zwar beschwören Fluggesellschaften, dass die Luft im Flieger durch sogenannte Hepa-Filter (High Efficiency Particulate Absorbation) so sauber sei wie in einem OP-Saal. Weil nahezu alle gefährlichen Partikel aus der Kabine herausgefiltert würden und so eine Übertragung des Coronavirus durch die Air Condition weitgehend ausgeschlossen sei. Auch verlaufe die Luftzirkulation von oben nach unten, was die Viren auf den Boden drücke. Schon möglich. Aber sicher weiß das niemand. Und da sind zudem die anderen Reisenden, der nicht in jedem Fall gesicherte Abstand beim Ein- und Aussteigen, der unvermeidlich engere Kontakt mit dem Personal. Dabei können selbst mit Maske und Sicherheitsabstand kleinste Tröpfchen übertragen werden. Längst bekannt ist, dass Flächen, die man zwangsläufig berührt – Türgriffe, Tische, Armlehnen – Horte für Keime, Viren, Bakterien sind. Und was, wenn Tourist*innen im Ausland erkranken? Dann belasten sie die Gesundheitssysteme anderer Länder zusätzlich, schlimmstenfalls jene, die bereits kollabiert sind.

In diesem Jahr spricht einfach alles für den Urlaub im eigenen Land, zumindest dafür, keine weiten Reisen zu machen. Wer keine Datsche hat, auf die er oder sie sich zurückziehen kann, keine Freunde auf dem Bauernhof und auch keine Eltern mit Haus am See, dem oder der seien Tagesausflüge, Radtouren, Kurztrips in die Umgebung empfohlen. Eine größere, weitere Reise ist ohnehin viel entspannter, wenn man angstfrei in den Zug und ins Flugzeug steigen kann. Und so weit ist es eben noch nicht.

Simone Schmollack

JA

Auf den Kanaren oder in Griechenland wird ­Urlaub auf jeden Fall bald wieder möglich sein. Die Einreisebedingungen werden für europäische Länder gelockert werden, die Quarantänebestimmungen innerhalb der Europäischen Union aufgehoben. Europa handelt und reagiert gemeinsam. Sicherlich auf Druck der zehn ausgewiesenen europäischen Urlaubsländer, die am Montag konferierten und deren Wirtschaft extrem vom Tourismus abhängig ist. Aber immerhin: Wir fühlen uns im gleichen Boot und haben wieder einen europäischen Horizont. Statt Eurobonds immerhin deutsche Urlauber.

Selbst die vom Virus gebeutelten Länder Italien und Spanien werden sich in bestimmten, wenig betroffenen Regionen für den Tourismus öffnen. Gut, dass die Bundesregierung die Reisewarnungen weltweit bis zum 15. Juni aufheben und durch Reisehinweise ersetzen will. Das hat versicherungstechnische Konsequenzen und überlässt die Entscheidung den Urlaubern. Wobei die Auflagen für Hotels, Restaurants und Events bestehen bleiben.

Sicher gibt es viele lohnende Ziele in Deutschland zwischen Alpen und Nordsee. Sogar Mecklenburg-Vorpommern freut sich wieder auf Urlauber aus anderen Bundesländern. Doch andere Strände sind auch schön, das Wetter besser, das Essen aufregender, die Menschen vielfältiger.

Nach Kroatien können wir Mitteleuropäer auch mit dem Zug fahren. Auf die Balearen, die viele bereits gebucht haben, ist dies aufwendiger. Billigflieger wie Ryanair warten nur auf die Starterlaubnis. Man kann dies aus Klimagründen verdammen – oder akzeptieren, dass sich die Urlaubskarawane mit ihrem ganzen Gefolge nicht so leicht umlenken lässt.

Das Virus wird keine neue Reisekultur bringen, unser ressourcenfressender Lebensstil wird sich nicht so schnell ändern. Vor vollgestopften Stränden an der Adria können wir uns selber schützen, indem wir uns dem Herdentrieb verweigern. Indem wir qualitativer und umweltfreundlicher reisen, weniger und dafür bewusster. Und ansonsten die Pandemie-Ratschläge der Experten befolgen und Usedom entlasten.

Edith Kresta