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: Mehr Fußballals früher

Der erste Geisterspieltag der Ligageschichte brachte vor allem: Fokussierung aufs Spiel selbst

Das war sie also, die erste Geisterspieltagsbundesligakonferenz. Gefreut hatte man sich auf diese Konferenz ja schon vorher, denn stattfinden sollte sie ursprünglich am 14. März, kurz nach dem ersten Geisterspiel der Bundesligageschichte zwischen Gladbach und Köln. Aber der Spieltag wurde abgesagt. Aus Gründen. Nun wurde, eine flachgelegte Kurve später und immer noch unter besonderen Bedingungen, endlich doch gespielt. In der Geistertabelle, die nur für diese besonderen Bedingungen gilt, führte als Erstes zunächst Borussia Dortmund. Der BVB setzte sich souverän im ersten Geisterderby mit 4:0 gegen die von allen guten Geistern verlassenen Schalker durch, vor der nackten Wand, die dereinst mal gelb war.

Ein Wunder war das nicht. Die Borussia zeigte, dass sie mit den Verhältnissen am besten zurechtkam. Das Videospielartige, das ihren Fußball unter Tuchel und jetzt Favre schon länger ausmacht, zeigte sich nun nackt in aller Deutlichkeit: gutes System, feine Spielzüge, technisch hochwertige Spieler, die in rasender Geschwindigkeit besten Reißbrettfußball spielen können. Alles wie an der „Playse“, nur besser, weil echt.

Und auch wenn mehr vereinzeltes Geschrei zu mehr Hall im geisterhaft leeren Stadion führte: Dass diese Atmosphäre die Spieler erschreckt, irgendwie negativ beeindruckt habe, konnte man nicht sagen. Es stachen sogar Spieler wie Mo Dahoud heraus, beschrieben als „befreit, mal nicht unter dem Druck von 80.000 Fans zu stehen“. Trainingsatmosphäre auf Spitzenniveau. Natürlich nicht das, was die Fans zwischen Bockwurst und Bier auf engem Raum sehen wollen. Aber besser als nichts und viel besser als gedacht.

Und es zeigte sich: Es war sogar mehr Fußball als sonst. Ablenkung durch Publikum, die Eventisierung des Sports, das ganze aufgeblasene Drumherum war diesmal aufs Mindeste heruntergeschraubt. Es war mehr Spiel, mehr grüner Rasen zu sehen als sonst. So ließen sich auch mehr Feinheiten begutachten, Feinheiten im Spielablauf. Die Spiele selbst nahmen überraschend rasch Fahrt auf, Ideen wie Fans aus Pappe, Fan-Tonspuren über Stadionlautsprecher, Atmo-Apps mit Direktreaktionen der User zu Hause braucht man so gar nicht.

Corona-bedingte Skurrilitäten gab es natürlich auch zuhauf. Sky-Reporter, die aus sicherem Abstand jeden engeren Körperkontakt entweder kritisch beäugten oder mit schlechten Witzen versahen. Spieler, die, statt sich abzuklatschen, sich die Ellenbogen hinhielten – Freiburger Spieler schienen das am besten zu können. Insgesamt galt aber auch hier: Erstaunlich professioneller Ablauf. Wobei sich die Frage stellt, warum der körperbetonte Torjubel als virologisch nicht so korrekt eingestuft wurde, wo doch alle Spieler vorher durchgetestet und möglichst weggesperrt wurden? Wo soll Corona herkommen, wenn niemand nachgewiesenermaßen welches hat? Aber gut, die Zeichen stehen auf Vorsicht, und vielleicht ist das auch immer noch gut so.

Trotz alldem aber scheint: Die Renormalisierung schreitet voran. Über den moralischen Kontext wird man auch weiter diskutieren, auch über die Künstlichkeit der ganzen Veranstaltung, von den Sonderrechten über das Quartiersmanagement in abgesonderten Hotels bis zu den logistisch hochkomplexen Voraussetzungen jedes einzelnen Spiels.

Am Samstagnachmittag, beim Gucken von der Couch aus, sah das alles aber fast schon so normal aus, dass man sich vorstellen kann, dass viel schneller noch viel mehr ­gehen könnte als noch vor Wochen gedacht. Die Bundesliga wird sich aus diesem digital-viralen Zwischenzustand weiter- und schnell wieder herausentwickeln; die ersten Stadionbesuche – natürlich mit Hygieneschutzverordnungen und vielleicht zunächst nur mit mit 100, dann mit 1.000 Zuschauenden – scheinen gar nicht mehr so weit. René Hamann