Coronakrise in Brasilien: Der nächste Minister geht
Nach nur 27 Tagen tritt Brasiliens Gesundheitsminister schon wieder zurück. Derweil schnellen Infektions- und Todeszahlen in die Höhe.
BERLIN taz/afp/epd | Während die Zahl der neu gemeldeten Infektionen mit dem Coronavirus im Land in die Höhe schnellt, ist Brasiliens Gesundheitsminister Nelson Teich nach nur 27 Tagen im Amt schon wieder zurückgetreten. Zwar nannte er bei einer Pressekonferenz am Freitag keinen konkreten Grund für seinen Schritt. „Das Leben besteht aus Entscheidungen, und ich habe heute beschlossen zu gehen“, sagte er. Allerdings waren schon zuvor klare Differenzen Teichs mit dem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro zutage getreten.
Bolsonaro hatte von Beginn der Pandemie an die Covid-19-Krankheit mit einer „leichten Grippe“ verglichen, sich gegen Einschränkungen des öffentlichen Lebens ausgesprochen und Quarantäneregelungen immer wieder demonstrativ verletzt. Inmitten öffentlicher Differenzen über den Umgang mit der Pandemie hatte Bolsonaro schon seinen letzten Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta entlassen.
Zuletzt hatte Bolsonaro angewiesen, landesweit das Malaria-Medikament Chloroquin zur Behandlung der Covid-19-Erkrankung einzusetzen. Über dessen tatsächliche Wirksamkeit gibt es jedoch keine gesicherten Erkenntnisse – über sehr starke Nebenwirkungen jedoch schon, und das seit Jahrzehnten.
Teich, von Beruf Arzt, hatte sich gegen den Einsatz von Chloroquin ausgesprochen. Bolsonaro war mit der Empfehlung des Medikaments seinem Vorbild Donald Trump gefolgt. Auch der US-Präsident hatte wochenlang für den Einsatz von Chloroquin geworben, bis die Zahl der Meldungen über schwere Nebenwirkungen so sehr stieg, dass von einem Tag auf den anderen kein Wort mehr dazu aus dem Weißen Haus kam.
Auch in indigenen Gebieten steigen die Infektionszahlen
Zwischen dem Rauswurf seines Vorgängers und dem Rücktritt Teichs stieg die Zahl der Coronatoten in Brasilien in 29 Tagen nach Angaben der Zeitung Estado de S. Paulo um 666 Prozent. Am Samstag erreichte die Zahl der neu als mit dem Coronavirus infiziert Gemeldeten einen neuen Rekord: Mit rund 15.000 steht Brasilien hinter den USA an weltweit zweiter Stelle der gemeldeten Neuinfektionen innerhalb 24 Stunden.
Dabei führt das südamerikanische Land im Vergleich zu den USA zehnmal so wenig Tests pro eine Million Einwohner*innen durch – was darauf hinweisen dürfte, dass die Dunkelziffer der Infizierten sehr viel höher ist. Zugleich überschritt die Zahl der Toten ebenfalls die Marke von 15.000. Die meisten Menschen starben in den größten Städten São Paulo und Rio de Janeiro.
Aber auch in indigenen Gebieten nimmt die Zahl der Infizierten zu. Bereits 38 indigene Völker seien betroffen, meldete die Vereinigung der Ureinwohner Apib am Freitag. Das Virus erreiche mit „beängstigender Geschwindigkeit“ alle Gebiete der Ureinwohner, warnte Apib. Diese seien schon in der Vergangenheit durch eingeschleppte Krankheiten schwer getroffen worden.
Laut Apib haben sich mehr als 440 Ureinwohner mit dem Virus angesteckt, 92 seien bereits an den Folgen gestorben. Betroffen sind demnach vor allem die Völker im Bundesstaat Amazonas wie etwa die Parque das Tribos, deren Chef Messias Kokama an Covid-19 starb.
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Survival International bewirkt die Epidemie zugleich, dass illegale Holzfäller und Goldschürfer „mit Rückendeckung der Regierung“ zunehmend auf die Gebiete der Ureinwohner vordringen.
Leser*innenkommentare
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Gast
Kam der Herr Nelson Teich von einem anderen Stern, als er sein Amt übernahm? Jetzt einfach hinschmeißen? Wenn ihm wirklich etwas von den Aufgaben seines Jobs am Herzen gelegen hätte, würde er gekämpft haben. So sicher sitzt der Bolsonaro ja nun auch nicht mehr im Sattel.
the real günni
wenn es alles nicht so grausam real waere, dann sollte man meinen, das schauspiel in brasilien zur zeit ist eine farce.
man koennte sogar zur naechsten verschwoerungstheorie ansetzen - vielleicht sollen sich ja alle armen in den favelas und vor allem alle indigenen staemme infizieren und moeglichst viele davon sterben. dann gibt es einfach weniger proteste und die agrarlobby hat noch leichtere hand und muss sich nicht mit eingeborenen rumschlagen, die ihren lebensraum schuetzen wollen.
traurige tropen 2.0. zur zeit der kolonialisierung suedamerikas wurden einfach laken der krankenbetten europaeischer infektionskrankheiten wie windpoken in den urwald gehaengt, um die urbevoelkerung auszuloeschen. hat auch sehr gut funktioniert. vielleicht hat irgendjemand in der jetztigen regierung die berichte levi-strauss ja auch gelesen