Mehr Putzen dauert länger

In Hamburgs Kitas gelten wegen Corona striktere Hygiene-Pläne. Dafür bräuchten die Zuständigen mehr Zeit – die sie laut der Gewerkschaft Ver.di aber nicht bezahlt bekommen

So niedlich wie niedrig: Toiletten und Töpfchen in einer Kita Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Von Kaija Kutter

„Kindertoiletten putzen ist harte körperliche Arbeit. Man muss sich tief bücken, das ist alles so niedrig“, sagt Herta Müller. „Machen Sie das man zweimal, dann tut Ihnen der Rücken weh.“ Müller heißt eigentlich anders, will aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen – aus Sorge um ihre Stelle: Sie ist eine derjenigen, die für die Reinigung der Kindertagesstätten des großen Trägers „Elbkinder“ sorgen.

Beginnend am heutigen Montag fährt der Kita-Betrieb in Hamburg wieder hoch: Zuerst dürfen die Fünfjährigen, später dann die Kinder mit viereinhalb und drei Jahren zurück. Jede der über 1.000 Kitas soll dafür ein Hygiene-Konzept entwickeln. Die Elbkinder gGmbH ist ein öffentliches Unternehmen in privater Rechtsform und mit 187 Häusern größter Träger der Stadt. Dort gibt es künftig etwa Bring- und Abhol-Zonen, die Eltern mit Mund-Nase-Schutz betreten. Spielzeug soll zu Hause bleiben, kranke Kinder sollen es auch. Und wie in einer Elterninformation zu lesen war, wurden die „Reinigungsrhythmen“ in den Kitas erhöht.

Was das heißt, davon kann Herta Müller erzählen: In ihrer Kita, im Osten der Stadt, gibt es statt einer nun mehrere Frühdienstgruppen, damit sich die Kinder nicht anstecken. Alle diese Räume müssten vorher und nachher gereinigt werden – ebenso jeder Gruppenraum. Jener für den Spätdienst gehöre nun nach jeder Nutzung gesäubert, jeder Besprechungsraum sogar nach jeder Pause. Bei all dem solle sie auch noch anderthalb Meter Abstand halten zu anderen Menschen, so Müller. Das Konzept sei „sehr gut“, sagt die Praktikerin – aber mit derzeitigem Hauspersonal „nicht zu schaffen“.

Denn nicht nur die niedrigen Toiletten sind nun zweimal täglich zu säubern, sondern auch Waschbecken, Duschen, Podeste und Wickelkommoden. Anders als früher werde dabei nicht mehr „ergebnisorientiert“ gearbeitet, also nur sichtbarer Schmutz entfernt: Es muss auch jede „Kontaktfläche“ gesäubert werden – auch Klinken, Handläufe, Schalter und Telefone. Das Personal aber, so Müller, sei nur für die alte Methode berechnet.

„Das Problem ist, dass die Hausarbeiterinnen meist nur sehr kleine Teilzeitstellen von 20, 25 Stunden die Woche haben“, sagt Petra Kronbach, Betriebsrätin bei den Elbkindern – nötig wäre mehr Personal. „Das Hygiene-Konzept ist großartig“, findet Sigrid Ebel, zuständige Sekretärin bei der Gewerkschaft Ver.di: „Aber bei den kleinen Stundenzuschnitten ist es eine extreme Mehrbelastung für die Kolleginnen.“

„Das Hygiene-Konzept ist großartig, aber eine extreme Mehrbelastung“

Sigrid Ebel, Gewerkschaft Ver.di

Hinzu kommt, dass mehr als die Hälfte der betroffenen Beschäftigten über 50 Jahre alt ist, weiß Ebel, und viele davon gesundheitliche Ängste haben. Zudem sollen diese Beschäftigten, die auch die Kita-Küchen betreiben, nun Essen für Kinder zubereiten, die gar nicht kommen: Hamburgweit nehmen fast 3.000 Eltern dieses Angebot an, hat eine Anfrage der Linksfraktion ergeben. Laut der Abgeordneten Insa Tietjen kam dabei noch etwas heraus: Die Stellen für die Hausarbeit sind bei den Elbkinder-Kitas seit dem Jahr 2015 um 50 auf nun 892 reduziert worden – bei offenbar steigender Kinderzahl. „Hier muss mehr eingestellt werden“, so Tietjen mit Blick auf die erhöhten Hygiene-Anforderungen.

Die Sozialbehörde hält dagegen, dass die Kitas während der Schließung weiter ihr Geld bekommen hatten, obwohl sie nur wenige Kinder betreuten. Man habe vereinbart, „dass Mehrkosten für die Umsetzung des Hygienekonzepts mit ersparten Aufwendungen verrechnet werden“, sagt Behördensprecher Martin Helfrich. Bei der Elbkinder gGmbH sitzen die Stadt, aber auch Ver.di im Aufsichtsrat. „Ich habe mich erkundigt, ob es für die Corona-Zeit Stundenaufstockung beim Hauspersonal geben wird“, berichtet Gewerkschafterin Ebel. Das habe die Geschäftsführung verneint – „die Pädagogen würden den Hausbereich unterstützen“, so Ebel. Wenn aber jetzt nach und nach die Kinder wieder in die Häuser kämen, würden sie das nicht mehr schaffen. Auch Betriebsrätin Kronbach sagt: „Die Erzieher haben nicht mehr die Zeit, beim Reinigen zu helfen.“ Und bei steigender Kinderzahl könne man ältere, von Corona besonders gefährdete Kollegen nicht länger zu Hause bleiben lassen, fürchtet sie: „Wer soll es sonst machen?“

Beschäftigten, die zur Risikogruppe gehören, empfiehlt die Behörde, mit Arbeitgeber und Hausarzt zu klären, wie dies „zu bewerten ist“. Die Linken-Abgeordnete Tietjen sorgt sich, dass der Senat – abgesehen von den Elbkindern – kaum Informationen über die Kitas insgesamt habe – und „einfach den Kopf in den Sand steckt“.