Corona-Epidemie in Deutschland: Weniger Infektionen, wenig Infos

Die Zahl der neuen Coronafälle sinkt weiter. Wo sich die Menschen anstecken, ist unbekannt. Politiker agieren im Vorwahlkampfmodus.

Ein Mann neben einer Kamera

Zu den Risiken für die Bevölkerung durch Lockerungen wollte sich RKI-Chef Wieler nicht äußern Foto: Markus Schreiber/Reuters

BERLIN taz | Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) in der letzten Woche weiter gesunken. „Das ist eine sehr gute Nachricht“, sagte der RKI-Präsident am Dienstag. Nicht nur am Wochenende wurden erstmals weniger als 1.000 neue Fälle pro Tag gemeldet, sondern auch am Dienstag blieb der Wert dreistellig. Im Schnitt der letzten sieben Tage liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen jetzt bei unter 1.100. Vor zwei Wochen lag diese Zahl noch bei rund 2.600, der Höchstwert vor gut vier Wochen lag bei 5.600.

Die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele andere ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, lag zuletzt bei 0,71. Anders als zwischenzeitig vom RKI angegeben, zeigen neuere Schätzungen des Instituts, dass dieser wichtige Indikator seit vier Wochen durchgängig unterhalb der entscheidenden Schwelle von 1 liegt. Das bedeutet, dass die Zahl der Neuinfizierten permanent abgenommen hat.

Auch die Zahl der täglich gemeldeten Corona-Todesfälle ist seit Mitte April rückläufig. Im Mittel der letzten sieben Tage liegt sie jetzt bei 131; der Höchstwert dieses Durchschnitts lag vor zwei Wochen bei 233. Die Zahl der Covid-19-PatientInnen, die auf Intensivstationen liegen, ist ebenfalls weiter zurückgegangen – von rund 2.900 vor zwei Wochen auf zuletzt 1.950.

Das Osterwochenende, an dem die zwischenmenschlichen Kontakte wieder zugenommen hatten, hat entgegen einigen Befürchtungen also offenbar nicht dazu geführt, dass die Zahl der Infektionen wieder angestiegen ist. Die Auswirkungen der jüngsten Lockerungen, also das Öffnen weiterer Geschäfte und erster Schulen, können sich in den Zahlen allerdings noch nicht niederschlagen, weil von einer Ansteckung bis zur Meldung einer Infektion an das Robert-Koch-Institut 10 bis 14 Tage vergehen.

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Und bei der Entscheidung über weitere Lockerungen, über die Bund und Länder am Mittwoch beraten wollen, helfen die Zahlen ebenfalls kaum. Zwar sei bekannt, dass etwa ein Drittel der Neuinfektionen derzeit in Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen erfolge, sagte RKI-Präsident Wieler am Dienstag. Doch bei den übrigen zwei Dritteln ist völlig unklar, bei welchen Gelegenheiten sich die Menschen infizieren.

„Leider gibt es Gründe, warum wir das nicht in dem Maße beantworten können, wie wir es gerne würden“, sagte Wieler. Die Gesundheitsämter seien weiterhin nicht in der Lage, „Ausbrüche auch adäquat zu dokumentieren“, und zwar „aus zeitlichen Gründen“. Zudem hat sich die geplante Handy-App, die es deutlich erleichtern würde, Infektionsketten nachzuvollziehen, stark verzögert.

Telefonkonferenz mit dem Kanzleramt

Wenn an diesem Mittwoch die Telefonkonferenz der MinisterpräsidentInnen mit dem Berliner Kanzleramt freigeschaltet wird, dürfte eigentlich nur eine Person in der Leitung sein, der es nicht um ihr weiteres politisches Fortkommen zu tun ist. Ihr Name: Angela Merkel. Die Kanzlerin hat schon vor anderthalb Jahren klargestellt, nicht erneut das Amt der Regierungschefin anzustreben.

Bei ihren GesprächspartnerInnen sieht das überwiegend anders aus – entsprechend fordernd ist der Ton gegenüber der Kanzlerin und der gesamten Bundesregierung. Und entprechend eilig scheint es nun, erhöhte Aktivitätsmeldungen in den politischen Raum zu senden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) möchte gern der nächste Kanzlerkandidat der Union werden; Bayerns Markus Söder (CSU) ist ihm hier ein harter, wenngleich nicht erklärter Konkurrent. Der Grüne Winfried Kretschmann will 2021 erneut Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden.

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Ebenfalls im kommenden Jahr werden in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin neue Landesregierungen gewählt. Da heißt es für die Amtsinhaber Flagge zeigen. Angela Merkel wird es also an diesem Mittwoch darum gehen, die MinisterpräsidentInnen zu, wenn schon nicht gemeinsamem, so doch zumindest abgestimmtem Handeln zu bewegen. Doch danach sieht es ganz und gar nicht aus.

Am Dienstag, einen Tag vor den Gesprächen mit dem Kanzleramt, hat zum Beispiel das bayerische Kabinett eine weitreichende Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen und eine Öffnung der Hotels beschlossen. Die Ausgangsbeschränkungen werden aufgehoben, auch die Geschäfte dürfen wieder öffnen.

Tags zuvor hatte Merkels Sprecher Steffen Seibert in der laufenden Regierungspressekonferenz davon erfahren, dass Niedersachsen ab dem 11. Mai die Corona-Beschränkungen in der Gastronomie lockern will. Obwohl die einzelnen Landesregierungen unübersehbar gerade machen, was sie wollen, spulte Merkels Sprecher die geplante Tagesordnung ab. Demzufolge sollen an diesem Mittwoch „die gemeinsamen Leitlinien für die sehr großen Lebensbereiche Schule, Kita und Sport beraten werden. Das steht auf der Agenda.“

Länder machen, was sie wollen

Als sei ebendiese Agenda zweitrangig, hat im weiteren Verlauf des Montags auch Mecklenburg-Vorpommern für Ende Mai die Öffnung von Hotels angekündigt. Auch Rheinland-Pfalzs Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) fordert „Klarheit“ für GastronomInnen. Von der „Agenda“ der Kanzlerin – also Abstimmungen über Schule, Kita und Sport – ist bedenklich wenig zu hören. Markus Söder (CSU) erklärt am Dienstag schon mal, dass bis zu den Pfingstferien in Bayern die Hälfte aller Kinder wieder in die Kitas gehen können. Nach Pfingsten sollen auch die anderen Kinder wieder betreut werden.

Zu den Risiken für die Bevölkerung durch einzelne Lockerungen wollte sich RKI-Chef Wieler nicht äußern. „Wenn wir lockern, steigt natürlich die Chance, dass es wieder Infektionen gibt“, sagte er nur. Zudem betonte er, dass die positive Entwicklung der Zahlen nicht bedeutet, dass die Corona-Gefahr demnächst vorbei sei. Er gehe davon aus, „dass es mit großer Sicherheit eine zweite Welle gibt“, sagte er.

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