Kein Glockenläuten in London

In Großbritannien ist der 8. Mai vor allem ein Tag des Aufatmens. In Coronazeiten wird besonders der „Spirit“ beschworen

In Großbritannien ist der 8. Mai normalerweise ein Tag der gemeinsamen Gottesdienste, der Paraden und Straßenfeste mit Tee und alten Liedern. Dieses Jahr ist der VE-Day (Victory in Europe) sogar Feiertag – aber die Feierlichkeiten sind gestrichen, nicht nur aufgrund der Corona-Einschränkungen, so Organisator Bruno Peek, sondern auch weil die hohe Corona-Todeszahl keinen Anlass zum Feiern biete.

Es werden weder Glocken läuten, noch gibt es offizielle Auftritte. Statt wie geplant von Bergen und Anhöhen soll die „Last Post“, der traditionelle Bläsertribut der Militärkapellen an die Gefallenen, um 14.55 Uhr aus dem eigenen Haus oder Garten ertönen. Später wird im Vereinigten Königreich und in 27 anderen Ländern zum gemeinsamen Prosit aufgerufen: „To those who gave so much, we thank you“ – Dank denen, die so viel gaben.

Der Zweite Weltkrieg steht ohnehin immer hinter dem Ersten zurück, in dem Großbritannien viel mehr Tote zu beklagen hatte. Die Erinnerung an den 8. Mai 1945 ist nicht der Rückblick auf einen Sieg, sondern an ein kollektives Aufatmen: Gegen einen zunächst viel stärker erscheinenden Feind hat die Insel bestanden, erst allein, dann mit den Alliierten – dank Hartnäckigkeit und Mut, Zusammenhalt und Gemeinsinn. Der „Blitz Spirit“ im deutschen Bombenkrieg 1940/41, oder der „Dunkirk Spirit“ bei der Evakuierung der eingekesselten britischen Soldaten aus Frankreich 1940 waren zwei Momente, wo der Krieg leicht hätte verloren gehen können, der „Spirit“ aber half.

Im Jahr des Corona-Massensterbens, in dem sogar die Queen öffentlich an das Jahr 1940 erinnert, ist das besonders aktuell. Wie ein 99-jähriger Veteran dem Daily Telegraph erzählte: „Jeden Donnerstag um 20 Uhr applaudiere ich, um dem Gesundheitspersonal zu danken. Am 8. Mai werde ich applaudieren und an all die Kameraden denken, die nicht mit mir zurückkamen.“ Daniel Zylbersztajn, Dominic Johnson