Generalstabschef stolpert über Buchskandal

DÄNEMARK Rücktritt des Militärchefs ist womöglich nur ein Bauernopfer für den Verteidigungsminister

STOCKHOLM taz | Drei Wochen mit Lügen, Ungeschicklichkeiten und immer neuen bizarren Enthüllungen waren zu viel. Am Sonntag musste der dänische Generalstabschef Tim Sloth Jørgensen zurücktreten. In einer Erklärung betont er die Wichtigkeit, dass „unsere Verteidigung das Vertrauen von Volk und Politikern genießt“ und konstatiert, dass dies bei ihm „derzeit nicht mehr der Fall ist“.

Jørgensen musste sich offenbar für Verteidigungsminister Søren Gade opfern, nachdem Forderungen nach dessen Rücktritt immer lauter wurden. Es geht um den „Buchskandal“. Die umstrittenen Memoiren eines Soldaten der dänischen Eliteeinheit über seine Einsätze im Irak und in Afghanistan mit angeblich sicherheitsrelevantem Inhalt. Von dessen geplanter Herausgabe wusste die Militärführung seit Monaten, sie hat das Buch aber erst in letzter Minute gerichtlich zu stoppen versucht. Das scheiterte (vgl. taz v. 22. 9.). Plötzlich tauchte eine arabische Übersetzung auf, die das Militär al-Qaida in die Schuhe schieben wollte, um seine Sicherheitsbedenken gegen das Buch zu untermauern. Doch schnell stellte sich heraus, dass die arabische Übersetzung im dänischen Oberkommando fabriziert worden war.

Es ist fraglich, ob jetzt der Skandal mit dem Bauernopfer ausgestanden ist. Die liberale Tageszeitung Politiken kommentiert am Montag, niemand könne Verteidigungsminister Gade die politische Verantwortung für das „amateurhafte Propagandamaterial“ abnehmen. Vertrauen in Militär und Politik könne nur wiederhergestellt werden, wenn diese Geschichte vorbehaltlos aufgeklärt werde und die Motive der Lancierung der lancierten Übersetzung klar würden.

Die Affäre zeige, dass das dänische Militär den Respekt vor der Demokratie verloren habe, meint der Soziologe Henning Sørensen: Dort habe sich eine Kultur entwickelt, die vergessen habe, dass man demokratischer Kontrolle unterstehe. Man gehe offenbar selbstverständlich davon aus, das Recht zu haben, die Öffentlichkeit durch Zensur und gezielte Desinformationen zu manipulieren und im eigenen Interesse zu politisieren. Bleibe es nur bei dem Rücktritt des Generalstabschefs und blieben andere Konsequenzen aus, sei dies eine „bloße Symbolhandlung“.

Der Regierung in Kopenhagen half der Übersetzungsbluff bisher zu vermeiden, dass eine Grundsatzdebatte über den dänische Afghanistan-Einsatz an Fahrt gewinnt. Das Soldatenbuch schildert nämlich Militäreinsätze, die JuristInnen als Bruch der Genfer Kriegsrechtskonvention werten. REINHARD WOLFF