Bedeutung von Atomstrom: AKWs werden weniger wichtig

In Europa wird Atomkraft immer weniger wichtig. Weltweit steigt aber die Erzeugung von Nuklearstrom. Das dürfte sich nun ändern – wegen Corona.

Ein Mann mit einer roten Sonnenbrille in Herzform, auf jedem Glas ein Atomkraft Nein Danke Aufkleber a in Herzform auf

Atomkraft, nein danke? Foto: Tobias Seeliger/snapshot

FREIBURG taz | Die Atomkraft hat in Europa 2019 weiter an Bedeutung verloren. Nach Zahlen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) speisten die Reaktoren in der EU im vergangenen Jahr rund 772 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz – ein Rückgang von rund 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist der niedrigste Wert seit 29 Jahren, die Mengen sinken inzwischen Jahr für Jahr. Gemessen am historischen Höchststand von 2004 ist die Erzeugung bereits um 19 Prozent geschrumpft.

Während die Atomstromerzeugung in Deutschland im vergangenen Jahr weitgehend konstant blieb, sank sie vor allem in Frankreich, Großbritannien und Schweden. In Großbritannien zum Beispiel ging sie wegen Reaktorausfällen um 13,6 Prozent zurück. Lediglich Belgien steigerte nach vielen Stillständen im Jahr 2018 seine Produktion im Jahr 2019 wieder auf ein früheres Niveau.

Aktuell sind in den Ländern der EU-28 (die Briten also noch mitgezählt) 123 Reaktoren am Netz. Der Spitzenwert lag 1989 bei 177 Meilern. Mit einem Anteil von 25,5 Prozent an der Stromerzeugung ist die Atomkraft längst hinter die erneuerbaren Energien zurückgefallen, die im Jahr 2019 auf 34,6 Prozent kamen, wie eine erste Auswertung der Denkfabrik Agora Energiewende ergab.

In der vergangenen Woche wurde wegen der günstigen Wetterlage ein neuer Rekordwert für Deutschland erreicht: Windkraft- und Solaranlagen erzeugten hier in der Spitze bis zu 60 Gigawattstunden Strom, zuletzt waren 58 Gigawattstunden gemessen worden. Das teilte der Energieversorger Eon mit.

Ausbau in China

Anders als in Europa nahm die Atomstromerzeugung weltweit im Jahr 2019 allerdings noch zu. Das liegt vor allem am Ausbau der Atomkraft in China. Auch Japan hat die Produktion in einigen Reaktoren, die nach der Fukushima-Katastrophe vorübergehend abgeschaltet waren, wieder stärker hochgefahren. Damit liegt die weltweite Atomstromerzeugung inzwischen wieder auf ungefähr der Höhe des bisherigen Maximums von 2006.

Schneller steigt allerdings die Erzeugung aus erneuerbaren Energien, so dass im Jahr 2020 weltweit die Stromerzeugung aus Wind und Sonne erstmals die Menge an Atomstrom übersteigen könnte.

Mittelfristig dürfte auch international die Atomstromerzeugung wieder sinken, da in vielen Industrieländern die Reaktoren in die Jahre kommen. Im Jahr 2019 wurden nach offiziellen Zahlen der IAEO 13 Reaktoren stillgelegt. Darunter waren allerdings auch vier Blöcke in Fukushima, die seit März 2011 ohnehin keinen Strom mehr erzeugt hatten. Zugleich gingen im vergangenen Jahr weltweit nur sechs neue Reaktoren ans Netz, darunter die beiden schwimmenden Kleinreaktoren des russischen Kraftwerks Akademik Lomonossow. Von den vier neuen Großreaktoren stehen zwei in China und je einer in Russland und Südkorea.

Globaler Verbrauchsrückgang

Bedingt durch den globalen Verbrauchsrückgang in Folge der Conorakrise könnte es sogar bereits 2020 geschehen, dass die Atomstromerzeugung auch weltweit wieder sinkt. In Europa wird sie in diesem Jahr mit Sicherheit weiter zurückgehen. Frankreich lag im ersten Quartal um 9,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Zugleich teilte der französische Energiekonzern EdF kürzlich mit, seine Atomstromerzeugung im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie um rund 20 Prozent auf etwa 300 Milliarden Kilowattstunden zu senken.

Deutschland wird im Jahr 2020 durch die erfolgte Stilllegung des Kraftwerks Philippsburg rund 15 Prozent weniger Atomstrom erzeugen. In Schweden wird sich die Abschaltung von Ringhals 2 vom Dezember bemerkbar machen, in der Schweiz die Abschaltung von Mühleberg vor Weihnachten. Und nach der Stilllegung des ersten Blocks in Fessenheim Ende Februar geht das Abschalten im Juni in Frankreich mit Fessenheims Block 2 weiter, in Schweden folgt im Dezember Ringhals 1.

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