Verfolgung von Infektionsketten: Noch immer keine Corona-App

Bei der Coronaeindämmung läuft einiges schief: Zu wenig Personal in den Gesundheitsämtern, zu wenig Tests – und die Handy-App lässt auf sich warten.

eine Frau in geht in einem roten Manel und Mundschutz über einen Zebrastreifen

Wen haben sie wann und wo getroffen, daran sollen sich Infizierte erinnern können, bis die App kommt Foto: Christophe Ena/dpa

BERLIN taz | Für eine Lockerung der Coronabe­schrän­kungen hatte die Bundesregierung ursprünglich mal klare Voraussetzungen definiert: Um nach dem Abflachen der ersten Welle einen Wiederanstieg der Infiziertenzahlen zu vermeiden, müssten neue Fälle möglichst umfassend rückverfolgt werden können, hieß es Ende März in einem Strategiepapier des Innenministeriums. Erforderlich sei neben einer deutlich erhöhten Testkapazität vor allem eine „effiziente und gut eingespielte Kontaktsuche von Hand und durch Big Data (Location Tracking und so weiter)“.

Sechs Wochen später ist dieses Ziel aber nur teilweise erreicht. Um die Kontaktpersonen von Infizierten besser ermitteln zu können, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) den Gesundheitsämtern angeboten, insgesamt 525 zusätzliche Stellen zu finanzieren. 493 davon sollten nach einer Abfrage des Bedarfs dann tatsächlich kommen. Obwohl sich bis Ende März über 10.000 Menschen beworben hatten, wurden bisher aber nur 346 Stellen besetzt, also 70 Prozent. Das geht aus dem aktuellen internen Lagebericht von Gesundheits- und Innenministerium hervor, der der taz vorliegt.

Zwischen den Bundesländern gibt es dabei große Unterschiede: Während im Saarland schon alle vorgesehenen Stellen besetzt sind und in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen immerhin rund 90 Prozent, sind es in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz nur etwa die Hälfte, in den übrigen Ländern noch weniger. Hamburg beteiligt sich gar nicht am Projekt des Robert-Koch-Instituts.

Ermitteln und kontaktieren können diese „Scouts“ die Kontaktpersonen zudem weiterhin nur manuell anhand der Erinnerung der Infizierten. Denn die geplante Handy-App, die diesen Prozess stark erleichtern und verbessern könnte, gibt es immer noch nicht. Dass sie nicht wie geplant Mitte April an den Start gehen konnte, liegt zum einen daran, dass die Bundesregierung zunächst eine zentrale Speicherung der erhobenen Daten angestrebt hat; erst nach Protesten von Datenschützern schwenkte sie auf eine dezentrale Lösung um.

Google passt sein Betriebssystem für Corona-App an

Zum anderen ist die Umsetzung offenbar komplizierter als gedacht. Vorgesehen ist jetzt ein Verfahren, bei dem ein Handy über Blue­tooth feststellt, welches andere Handy sich mehrere Minuten lang in weniger als zwei Metern Nähe befindet und lokal einen anony­men, temporären Code dieses Geräts speichert. Wenn ein Nutzer positiv getestet wird, werden alle Handys, denen er in den Tagen davor nahe gekommen ist, informiert.

Um das zu ermöglichen, passen Google und Apple gerade ihr Betriebssystem an. Die Blue­tooth-­Kontaktdaten sollen pro Land nur von einer offiziellen App genutzt werden können; die deutsche Version wird derzeit von der Telekom und SAP in Kooperation mit dem RKI programmiert. Ein Termin, wann sie einsatzbereit sein soll, wird nicht genannt.

Und selbst wenn künftig alle Kontaktpersonen ermittelt werden könnten, ist unklar, ob sie auch auf das Coronavirus getestet würden; bisher passiert das nur, wenn sie ebenfalls Symptome zeigen. Zwar ist die Testkapazität in den letzten Wochen stark ausgeweitet worden; sie wird aber derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Etwa ein Drittel der Labore meldet eine Knappheit an notwendigen Reagenzien.

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