„Italien sucht Sponsor für Schulden“

Premier Giuseppe Conte soll erklären, wie er sich den Wiederaufbau vorstellt und wie er die Wettbewerbsfähigkeit seines Landes erhöht, sagt EU-Politiker und Eurobonds-Kritiker Markus Ferber (CSU). Alles andere sei nur Symbolpolitik

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Markus FerberCSU-Europaabgeordneter und Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung.

Interview Eric Bonse

taz: Herr Ferber, Italien, Spanien und sieben weitere EU-Länder fordern gemeinsame Schulden auf EU-Ebene, um den Neustart der Wirtschaft nach der Coronakrise zu finanzieren. Sogar das Europaparlament hat sich für „Recovery Bonds“ ausgesprochen. Sie waren bisher immer dagegen – warum?

Markus Ferber: Der Parlamentsbeschluss lässt viel Interpretationsspielraum, jeder legt ihn anders aus. Ob damit gemeinsame Schulden gemeint sind, ist ja sogar bei den Grünen umstritten. Mich stört aber vor allem etwas anderes: All jene, die Eurobonds, Coronabonds oder Ähnliches fordern, haben die eigentliche Frage nicht beantwortet – nämlich die, wie ein geordneter Wiederaufbau funktionieren soll.

Geht es nicht erst einmal darum, Solidarität zu zeigen?

Alle reden von Solidarität, doch was heißt das denn? Solidarität bedeutet vor allem Hilfe zu Selbsthilfe. Und die lässt sich viel besser über das EU-Budget organisieren als über neue Schulden. Wenn Italien neue Schulden aufnehmen möchte, so kann es das problemlos tun – schließlich ist der Stabilitätspakt mit seinen Schuldenregeln außer Kraft gesetzt. Und Italien hat derzeit auch kein Problem, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren.

Doch das könnte sich bald ändern, wenn die Schulden weiter steigen. Genau deshalb möchte Italien Gemeinschaftsanleihen, um den Zugang zum Markt zu sichern …

Nein, Italien sucht nur einen neuen Sponsor für neue Schulden. Doch damit löst Premier Conte das eigentliche Problem nicht. Er muss erklären, wie er sich den Wiederaufbau vorstellt – und wie er die Wettbewerbsfähigkeit seine Landes erhöht, damit die Wirtschaft endlich wieder wächst. Alles andere ist doch nur Symbolpolitik.

Nun hat Spanien einen Plan vorgelegt, der weit über Symbolisches hinausgeht. Darin ist die Rede von dauerhaften Schulden und von Transferleistungen, die nicht zurückgezahlt werden sollen. Was halten Sie davon?

Wenn das über das EU-Budget laufen soll, dann habe ich kein Problem damit. Denn der Gemeinschaftshaushalt ist ja nichts anderes als die Umleitung von Cash.

Und was halten Sie von ewigen, nicht zu erstattenden Schulden? Spanien will offenbar nur den Zins bezahlen.

Die Spanier machen sich etwas vor, wenn sie glauben, sie würden durch dauerhafte Schulden viel Geld bei den Zinsen sparen. Die Zinsen müssen trotzdem bezahlt werden. Deshalb vermute ich auch, dass etwas ganz anderes dahinter steckt: Die wollen unsere deutsche Bonität, die wollen den Nullzins! Das geht jedoch weder mit Coronabonds noch mit Schulden über das EU-Budget. Es geht noch am ehesten mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, denn der kann sich Geld fast zum Nullzins leihen. Doch den wollen sie aus innenpolitischen Gründen nicht. Dafür habe ich kein Verständnis, der ESM wäre ein gutes Instrument.

Wirklich? Der ESM vergibt nur Kredite, und die Mittel sind auf 240 Milliarden Euro begrenzt. Italien bekäme gerade mal 39 Milliarden …

Der ESM kann insgesamt 400 Milliarden Euro mobilisieren. Und man kann ja das Eigenkapital erhöhen. Außerdem haben wir noch die Europäische Investitionsbank, auch die kann Italien und Spanien helfen. Wir haben genug Töpfe.

Doch diese Töpfe sind für ganz andere Aufgaben konzipiert, nicht für einen symmetrischen Schock dieses Ausmaßes. Braucht es nicht am Ende doch Coronabonds?

Wenn Sie das wirklich wollen, dann müssen Sie bei null anfangen. Dann brauchen Sie eine Vertragsänderung, das dauert bestimmt zwei bis drei Jahre. Und dann wird garantiert das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Das ist keine schnelle Lösung, ganz im Gegenteil.