Autobranche will Staatshilfe: Hersteller schonen Aktionäre

Dividenden zahlen und gleichzeitig Hilfe vom Staat fordern, darin sieht die Autobranche keinen Widerspruch. Sie fordert staatliche Kaufanreize.

ein gelber VW T-Roc steht auf einer Hebebühne in einem Autoturm auf dem Werksgelände von Volkswagen in Wolfsburg

Findet bestimmt bald einen Käufer: VW T-Roc in einem Autoturm in Wolfsburg Foto: Peter Steffen/dpa

BERLIN taz | Der Verband der Automobilindustrie (VDA) verteidigt, dass die Autohersteller in der Coronakrise Dividenden an Aktionäre zahlen und gleichzeitig Hilfen vom Staat verlangen. Ausschüttungen seien wichtig, um die Aktionäre an Bord zu halten und Unternehmen vor Übernahmen aus dem Ausland zu schützen, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Deutschlandfunk. Einen Widerspruch zu den vom Staat geforderten Hilfen für die Autobauer sieht die ehemalige Staatsministerin im Bundeskanzleramt nicht.

Die Autohersteller leiden unter der Coronakrise, weil sie die Produktion gestoppt hatten und der Absatz eingebrochen ist. Trotzdem hat Daimler für das erste Quartal 2020 einen Gewinn von mehr als 600 Millionen Euro gemeldet, Volkswagen von 400 Millionen Euro. BMW legt am Mittwoch Zahlen vor. Weil die Branche mit einem harten zweiten Quartal rechnet, werden die Rufe nach Kaufanreizen für Autos aus Politik, Unternehmen und Gewerkschaften lauter. Bereits nach der Finanzkrise 2009 hatte der Staat der Branche mit einer Abwrackprämie geholfen.

Nach Angaben des VW-Cheflobbyisten Thomas Steg, der von 2002 bis 2009 stellvertretender Sprecher der Bundesregierung war, fordert die Auto­branche einen Kaufbonus für alle Fahrzeuge, also auch Autos mit Benzin- und Dieselmotor. „Der VDA schlägt eine Prämie vor, über alle Modelle und Segmente hinweg“, sagte Steg bei einem Fachgespräch der Bundestagsfraktion der Grünen. Zusätzlich zu einer Basisprämie könne es spezielle Zuschläge geben, etwa nach Umweltaspekten.

Vorstellbar sei auch: „Wer jetzt einen modernen Verbrenner kauft, bekommt in zwei Jahren das Angebot, das Fahrzeug gegen ein Elektrofahrzeug zu tauschen“, sagte er. Eine Prämie nur für E-Autos hält Steg nicht für sinnvoll. Die Produktion von Elektro­fahrzeugen sei nicht einfach zu verdreifachen. „90 Prozent der Beschäftigten in der Autoindustrie sind mit dem Verbrenner beschäftigt, 10 Prozent mit Elektromobilität“, sagte er.

Umbau der Autoindustrie statt neuer Kaufanreize

Allerdings gibt es auch starke Stimmen gegen eine Wiederauflage von Kaufanreizen für konventionelle Autos. Nicht nur Umweltverbände lehnen sie ab. Für E-Autos gibt es schon Prämien. Nachhaltigkeitsforscher fordern einen Umbau der Autoindustrie statt neuer Kaufanreize. Auch die Volkswirte der Deutschen Bank halten eine weitere Kaufprämie für keine gute Idee. „Anders als andere Sektoren wie die Gastronomie war und ist die Automobilproduktion in Deutschland nicht vom staatlichen Lockdown betroffen“, heißt es in einer Analyse von Deutsche Bank Research.

Die Schließung der Fabriken sei nicht staatlich verordnet worden, das seien unternehmerische Entscheidungen gewesen. Die Prämie führe zu Vorzieh- und Mitnahmeeffekten, von denen vor allem Besserverdienende profitieren würden. 2019 sei für die Branche ein gutes Jahr gewesen, das beste seit 2009. „Wenn also in diesem Jahr die Neuzulassungen durch eine Prämie zusätzlich angeheizt würden, wäre der Einbruch 2021 umso gravierender“, heißt es.

Am 5. Mai wird im Kanzleramt auf dem „Autogipfel“ über Hilfen für die Branche beraten. Die Organisation LobbyControl kritisiert die Zusammensetzung des Treffens, an dem Vertreter von Unternehmen und Gewerkschaften teilnehmen, aber keine von Umwelt- oder Verbraucherverbänden. „Exklusive Runden wie der Autogipfel sind der falsche Rahmen, um die Verteilung von Corona-Hilfen zu verhandeln“, sagte LobbyControl-Sprecherin Christina Deckwirth.

Ursprünglich wollen die Ministerpräsidenten der Auto-Länder Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen am Mittwochmittag über Hilfen für die Branche beraten. Das Treffen von Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD) wurde kurzfristig verschoben. Wegen Terminschwierigkeiten, hieß es. Die Verschiebung ist ein Hinweis darauf, dass sich die Landeschefs noch nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten.

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