Maske hochschieben und rein in die Bahn

In Sachsen, Bayern und Meck-Pomm gilt oder kommt die Maskenpflicht.In Dresden wurden Hunderttausende von den Dingern kostenlos verteilt

„Es gibt Einzelhändler, die händeringend Masken suchen“

Bernd Ohlmann, Sprecher des ­Handelsverbandes Bayern

Aus Dresden Michael Bartsch
und Berlin Barbara Dribbusch

Auch nach der leichten Lockerung der Ausgangs- und Einkaufsbeschränkungen wirkte die sächsische Landeshauptstadt Dresden am Montag so unbelebt wie sonst nur an einem Sonntagmorgen. Mit einer Ausnahme: Schon seit neun Uhr standen Tausende Dresdner*innen in einer schier endlosen Schlange am Rathaus an.

Um elf Uhr nämlich wollte die Stadtverwaltung an der Goldenen Rathauspforte 200.000 Atemschutzmasken gratis „an Bedürftige“ ausgeben, wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ankündigte. Die mindestens einen Kilometer lange Schlange zog sich um den Rathauskomplex herum bis weit in benachbarte Straßen, wobei Mindestabstände keineswegs eingehalten wurden.

„Wir nehmen die Masken in Kauf, wenn dafür Handel und Gewerbe wieder ein bisschen angekurbelt werden“, gab ein junges Paar eine verbreitete Meinung wieder, seit die sächsische Staatsregierung am Freitag zwar Mobilitätsauflagen milderte, aber die Maskenpflicht im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr einführte.

In Sachsen gilt die Maskenpflicht ab sofort, in Bayern herrscht Maskenpflicht im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr ab Montag kommender Woche. Ab dem 27. April gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern die Maskenpflicht im Nahverkehr.Einzelne Städte wurden bereits in Eigenregie aktiv. In Jena herrscht schon länger Maskenpflicht, desgleichen in den Städten Sulz am Neckar und Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg. Auch im baden-württembergischen Tübingen soll die Verpflichtung zur Mund-Nasen-Bedeckung in Geschäften und im Nahverkehr voraussichtlich ab der nächsten Woche gelten, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). In Wolfsburg in Niedersachsen muss man sich ebenfalls verhüllen, wenn man ein Geschäft betritt oder einen Bus besteigt.

Doch wo kriegt man sie her, die verordnete Maske? In Apotheken jedenfalls ist das Angebot an den in Falten gelegten Einwegmasken nur knapp oder gar nicht vorhanden. „Es gibt Apotheken, die wieder Masken verkaufen. Aber es kann Ihnen genauso passieren, dass Sie in München in zehn Apotheken gehen und keine einzige Maske bekommen“, sagt Thomas Metz, Sprecher des bayerischen Apothekerverbandes. Da schon die Bezugspreise oft stark erhöht seien, wären auch die Verkaufspreise entsprechend höher, so Metz.

Auf Ebay werden genähte Baumwollmasken in den verschiedensten Designs zu Preisen um zehn Euro angeboten. Auch die Arbeitgeber sind in der Pflicht. „Wir haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sachsen in ausreichender Menge mit Einweg-Mund-Nasen-Schutz ausgestattet“, erklärt eine Sprecherin von Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen.

„Es gibt Einzelhändler, die händeringend Masken suchen“, schildert etwa Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbandes Bayern. Auf dem Lande greifen manche Mittelständler auf selbst genähte waschbare Masken zurück, so der Sprecher, der selbst von einer Schneiderin einen genähten Mund-Nasen-Schutz bekommen hat.

Für die Beschäftigten im Textil-Einzelhandel sei die Versorgung mit Masken bisher noch nicht als großes Problem bekannt, sagt Axel Augustin, Sprecher des Handelsverbandes Textil (bte) in Köln. Bei einer allgemeinen Maskenpflicht im Alltag sind auch Schals erlaubt, die eng um Mund und Nase gebunden werden. Wie fantasievoll sich die Beschäftigten in Klamottenläden künftig „maskieren“, wird man sehen, wenn die Geschäfte nach und nach öffnen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel empfiehlt dringend, im Nahverkehr und in Geschäften einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Social Distancing zu wahren. „Der Abstand muss eingehalten werden“, sagte sie am Montag und warnte vor „Öffnungsdiskussionsorgien“, die das Risiko eines Rückfalls erhöhten.

Eine öffentliche Maskenpflicht jedenfalls verändert den allgemeinen Schönheitsstress, zum Guten oder zum Schlechten, je nach Perspektive. „Es kommt auf kein Aussehen mehr an“, schildert in Dresden eine Frau vor einem Geschäft ihre neue Maskenerfahrung. „Man fühlt sich gesichtslos wie unter einer Burka.“

Schlangen vor Geschäften waren am Montag in Dresden nur an den wieder geöffneten Baumärkten zu beobachten. Der zumindest in Reserve um den Hals getragene Mundschutz aber gehört zunehmend zum Straßenbild. Vor dem Einsteigen in die Straßenbahn wird er dann über Mund und Nase gezogen. Viele Fahrgäste verzichten aber nach wie vor auf den Atemschutz.

Wie die Maskenpflicht kontrolliert werden soll, ist vielerorts noch nicht klar. Man prüfe derzeit, wie die Maskenpflicht an die Fahrgäste kommuniziert werden könne, die Kontrolle der Maskenpflicht könne man aber nicht leisten, sagte eine Sprecherin des MVV-Verbunds in München, der den Regionalbusverkehr organisiert.