Zusammen eingepfercht

Die Arbeits- und Wohnbedingungen von Schlachthof-Beschäftigten fordern Opfer. In Bad Bramstedt musste der Betreiber Vion schließen, weil über 50 MitarbeiterInnen Corona haben

Schwerwiegende Mängel in der Betriebs­hygiene sind ein Problem in vielen Schlachtbetrieben Foto: Bernd Thissen/dpa

Von Marco Carini

Nach der Schließung eines Schlachthofs in Bad Bramstedt, bei dem sich – Stand Dienstag – 51 MitarbeiterInnen mit Corona infiziert haben, steht der Betreiber – der niederländische Lebensmittelhersteller Vion – im Fokus der Kritik. Der Ausbruch sei „eine Folge von schwierigen Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnissen“ der meist rumänischen ArbeitsmigrantInnen, die Vion zu verantworte habe.

Zu dieser Einschätzung kommt nicht nur der schleswig-holsteinische Beauftragte für Zuwanderungsfragen, Stefan Schmidt, sondern auch die Regionsgeschäftsführerin des DGB Schleswig-Holstein Nordwest, Susanne Uhl. Sie macht „die Enge der Unterkünfte und die vollen Transportbusse zwischen Arbeits- und Wohnorten ohne Frage hauptverantwortlich“ für die Ausbreitung der Pandemie in dem Schlachtbetrieb.

Nachdem 50 von 260 der in Bad Bramstedt eingesetzten MitarbeiterInnen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden waren, hatte Vion am vergangenen Sonntag den Schlachthof geschlossen und die Belegschaft in den Zwangsurlaub geschickt. Die meisten der infizierten MitarbeiterInnen – laut NDR-Informationen 49 von inzwischen 51 – leben in einer umgebauten ehemaligen Bundeswehrkaserne in Kellinghusen, andere in Privatwohnungen in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Die Kellinghusener Unterkunft, in der insgesamt 110 Menschen leben, wurde für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt. Die meisten Erkrankten weisen bislang keine oder nur geringe Krankheitssymptome auf. Sie werden durch das Gesundheitsamt Steinburg und das Itzehoer Krankenhaus gesundheitlich versorgt.

Vion weist alle Vorwürfe, an der Gruppeninfektion eine Mitschuld zu tragen, kategorisch zurück. Unternehmenssprecher Karl-Heinz Steinkühler betont, sowohl in der Wohnunterkunft als auch in der Fleischfabrik seien „alle notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Virus-Übertragung“ getroffen worden, inklusive Abstandsregelungen und räumlicher Abtrennungen.

Vion ist dem DGB nicht unbekannt. Immer wieder gerieten die Tier- und Arbeitsschutzbedingungen des Unternehmens in die Schlagzeilen. Vion verfügt über 29 Produktionsbetriebe in den Niederlanden und in Deutschland, darunter auch in Hannover und Neumünster.

Zuletzt 2016 wurde gegen einen Schlachthof in Niedersachsen ermittelt, in dem Fleisch für Vion produziert wurde. Obwohl Prospekte mit artgerechter Haltung und häufigen Prüfungen warben, wurde Tierquälerei durch den Betrieb festgestellt. Die gehaltenen Tiere waren verletzt und verstümmelt, Wunden wurden nicht behandelt. Die auf der Webseite genannten neutralen Prüfungsunternehmen existierten oft seit Jahren nicht mehr.

Kein Einzelfall in der Branche: Bei unangekündigten Kontrollen in niedersächsischen Schlachtbetrieben zwischen November 2018 und März 2020 wiesen 58 der 62 inspizierten Produktionsstätten „in Bezug auf tierschutzrechtliche Vorgaben Auffälligkeiten“ und immerhin 49 „schwerwiegende Mängel in der Betriebshygiene auf“.

Die meisten Erkrankten weisen bislang keine oder nur geringe Symptome auf

Auch die Arbeits- und Wohnverhältnisse der meist rumänischen Leiharbeiter sind seit geraumer Zeit für den DGB ein Thema. Seit 2014 kümmern sich die Kreisverbände Nordfriesland und Steinburg in enger Kooperation mit Kirchen und Verbänden um die Beschäftigten der lokalen fleischverarbeitenden Unternehmen – ohne Erfolg.

„Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der meist bei Subunternehmen beschäftigten ArbeiterInnen haben sich seit Jahren kaum verbessert“, klagt Susanne Uhl. Die meisten von ihnen „hätten nicht die sechs bis acht Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung“, die vorgeschrieben seien. Unter solchen Bedingungen sei es unmöglich, den gebotenen Abstand voneinander zu wahren.

In einer Mitteilung des DGB Schleswig-Holstein über eine Veranstaltung mit MitarbeiterInnen der Schlachtbetriebe heißt es dazu: „So wurde von Kakerlaken in Badestuben und Schlafzimmern berichtet, von sechs Betten auf 24 qm, die dann noch pro Bett 200 Euro Miete kosten. Teilweise würden 16 Stunden am Tag gearbeitet und bei Krankheit zusätzliche Kosten für die Unterkünfte in Rechnung gestellt. Es seien auch Fälle bekannt, in denen Vorarbeiter Beschäftigte geprügelt hätten.“ Auch Vion „trete die Rechte unserer meist rumänischen Kollegen mit Füßen“, heißt es in der DGB-Stellungnahme vom vergangenen ­Februar. Permanent unterlaufe das Unternehmen Arbeits- und Unterkunftsstandards.

Versorgungsengpässe drohen nach Angaben des Vion-Sprechers durch die Schließung übrigens nicht. Die für Bad Bramstedt vorgesehenen Schlachttiere würden nun an anderen Standorten verarbeitet.