Grüne mahnen Bahnreform an: Bahn lässt Baugeld vom Bund liegen

Im Bundeshaushalt wird 1 Milliarde Euro für Bahnprojekte nicht abgerufen. Die Grünen fürchten, dass der Schienenausbau ins Stocken gerät.

ein ICE fährt auf eine Strecke bei Bochum

ICE bei Bochum: Trotz Coronakrise fahren viele Züge der Deutschen Bahn Foto: dpa

BERLIN taz | Die Grünen fürchten, dass der Schienenausbau bei der Deutschen Bahn ins Stocken gerät – nicht nur, aber auch wegen der Coronakrise. Denn die Bahn hat bis 2019 allein bei fünf Projekten mehr als 1 Milliarde Euro nicht abgerufen. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Berichtsanforderung des haushaltspolitischen Sprechers der grünen Bundestagsfraktion Sven-Christian Kindler hervor. Vor allem beim Schienenbau und bei der Lärmsanierung gibt es sogenannte Ausgabereste. Kindler mahnt die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Aussicht gestellte parteiübergreifende Initiative für eine Bahnreform an.

Die Deutsche Bahn leidet unter einem immensen Nachholbedarf bei Neubau und Modernisierung des Schienennetzes, weil über Jahrzehnte zu wenig Geld in die Infrastruktur gesteckt wurde. Auch die Bundesregierung will die Verbesserung des Schienennetzes forcieren. „In der Realität kommen der Ausbau und die Digitalisierung der Bahn kaum voran“, sagt Kindler der taz. „Corona wird diese Situation mit großer Wahrscheinlichkeit verschärfen.“ Verkehrsminister Scheuer müsse dafür sorgen, dass alle Haushaltsmittel bei der Bahn auch abfließen können, etwa durch die Beschleunigung von Förderprogrammen.

Für erforderlich hält Kindler vor allem eine große Bahnreform. Ende 2019 hatte Scheuer im Bundestag angekündigt, mit allen Fraktionen gemeinsam eine Bahnreform „ohne Denkverbote“ in Gang zu bringen. „Bisher hat der Verkehrsminister seine großspurige Ankündigung aus dem letzten Jahr scheinbar komplett vergessen“, kritisiert Kindler. „Wir erwarten, dass Minister Scheuer sein Versprechen von 2019 einlöst und einen klaren Prozess skizziert, wie und bis wann wir die Strukturfragen der Bahn gemeinsam besprechen werden.“ Die Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, gehört aber komplett dem Bund.

Obwohl die Züge wenig ausgelastet sind, hat die Bahn in der Coronakrise das Angebot nur wenig eingeschränkt. Damit gewährleistet sie die Mobilität vieler BürgerInnen. Außerdem ist die Bahn bei Rückerstattungen zurzeit sehr kulant. Das und weitere Folgen der Coronakrise wie Schutzmaßnahmen kosten die Bahn richtig viel Geld. Medienberichten zufolge sollen die Bahnmanager bei Scheuer einen zusätzlichen Bedarf von bis zu 10 Milliarden Euro angemeldet haben. Der Konzern bestätigte das gegenüber der taz nicht, dementierte es aber auch nicht. „Seit Beginn der Coronakrise stehen wir im engen Austausch mit unserem Eigentümer“, sagt eine Sprecherin. „Nachdem die April-Zahlen vorliegen, werden wir unseren Aufsichtsrat in einer turnusmäßigen Sitzung am 15. Mai ausführlich über die wirtschaftliche Lage der DB informieren.“

Kein Bauverzug wegen Corona

Die Bahn weist den Vorwurf zurück, dass der Schienenausbau ins Stocken gerate. Die vorgesehenen Mittel seien gebunden und könnten nicht für einen anderen Zweck eingesetzt werden, sagt die Sprecherin.

Dass Mittel nicht abfließen, liege zum Beispiel an Verzögerungen im Planungs- und Genehmigungsverlauf oder daran, dass Projekte statt mit Bundesmitteln durch später zugeteilte EU-Gelder finanziert würden. 2019 seien alle mit dem Bund vereinbarten Neu- und Ausbauprojekte in Betrieb genommen worden. „Es gibt, Stand heute, keine Hinweise darauf, dass wir die geplanten Investitionen von rund 12 Milliarden Euro in diesem Jahr aufgrund der Coronakrise nicht umsetzen könnten“, sagte sie.

Das Bundesverkehrsministerium wollte zur Bahn keine Stellungnahme abgeben. Minister Scheuer steht weiterhin wegen der gescheiterten Pkw-AusländerInnen-Maut unter Druck, die den Staat eine Entschädigung von einer halben Milliarde Euro kosten könnte. In dieser Woche soll der Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags die Arbeit wieder aufnehmen.

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