todesgelangweilt
: Der 1. Mai war noch nie so ruhig. Die Linken hören sogar auf die Polizei

Gegen 16 Uhr ist Feierabend. Das meiste Protestgeschehen ist schon gelaufen, auch wenn nicht wirklich was gelaufen ist. Vor dem Harburger linken Zentrum Sauerkrautfabrik stehen rund 50 Menschen und machen sich ein Bier auf. Zwei Personen halten noch tapfer ein Transparent hoch: „No Border, no Nation, just people“ steht darauf. Die Menschen interessieren sich aber mehr füreinander und unterhalten sich, schließlich hat man sich lange nicht gesehen.

Die meisten Hamburger Linken, die am 1. Mai protestieren wollten, hatten sich in Harburg verabredet, weil dort eine rechtsextreme Demo erwartet wurde. Seit Mittag war aber klar: Die Nazis kommen nicht. Die letzte Instanz, das Bundesverfassungsgericht, hatte das Demoverbot um kurz vor 12 Uhr bestätigt.

Seitdem: Entspanntes Rumstehen, ein paar Redebeiträge auf verschiedenen angemeldeten Mahnwachen, mal zum Kiosk, mal zum Dönerladen, mal bei Twitter gucken, ob noch irgendwo was geht. Noch nie war der 1. Mai in Hamburg so entspannt wie heute, aber auch noch nie so ereignislos.

Um kurz nach 16 Uhr nähern sich zwei Polizisten mit Mundschutz der biertinkenden und klönenden Menge vor der Sauerkrautfabrik. Einer der Beamten tritt an eine Kleingruppe heran. „Halten Sie bitte auch die Abstände ein“, fordert er die Rumstehenden auf und sofort gehen diese einen Schritt weiter auseinander.

„Großartig, danke schön Tach noch“, sagt der Polizist und schlendert weiter zum nächsten Kleingrüppchen. Auch dort folgen die Menschen der Aufforderung sofort, denn erstens ist hier niemand auf Krawall gebürstet und zweitens will ja auch niemand das blöde Virus bekommen.

Gegen 16.30 Uhr wird es leer vor der Sauerkrautfabrik, nach und nach schwingen sich die Menschen aufs Fahrrad und machen sich auf den Weg nach Hause. Ist ja auch nichts mehr los hier. „Bis später vielleicht“, sagen einige zum Abschied.

Ab 20 Uhr will die kommunistische Gruppe Roter Aufbau trotz Verbots an der Reeperbahn demonstrieren. Wer noch nicht ausgelastet ist, will da vielleicht vorbeigucken. Ein paar Wolken ziehen auf und es fängt an zu tröpfeln. Um 17.45 Uhr ist die Straße fast leer. Die letzten ziehen sich die Maske auf und starten ab nach Hause – man will ja auch nicht krank werden. Katharina Schipkowski