Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Meist rassistisch motiviert

Fast ein Drittel der gemeldeten Diskriminierungsfälle betraf 2019 die ethnische Herkunft. Die Betroffenen bräuchten mehr Schutz, fordert die Linke.

eine Demo, auf der ein Mensch ein Schild hochhält, auf dem steht: "Rassismus tötet"

7. März, Berlin: Demo gegen Rassismus Foto: Christoph Söder/dpa

BERLIN taz | Menschen, die wegen rassistischer Diskriminierung Hilfe suchen, machen weiterhin den größten Anteil der Fälle aus, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingehen. Der Anteil der Anfragen mit Bezug zur ethnischen Herkunft lag 2019 bei über 32 Prozent. Das geht aus der Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervor, die der taz vorliegt. Im Vorjahr waren es 31 Prozent.

Im Jahr 2019 haben sich demnach 4212 Menschen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, in 3545 der Fälle hatten die gemeldeten Diskriminierungsfälle Bezug zu einem der Schutzgründen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dazu gehören Diskriminierung wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, wegen Behinderung, Alter, Religion, sexueller Identität oder Weltanschauung. Damit entspricht die Fallzahl etwa der des Vorjahres (4216, davon 3455 mit AGG-Bezug).

In fast 29 Prozent der Fälle spielte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eine Rolle, auf Platz drei folgt Diskriminierung aufgrund von Behinderung mit 26 Prozent. Mehrfachnennungen sind dabei möglich. Im vergangenen Jahr betrafen die meisten Anfragen (1292) den Zugang zum Arbeitsmarkt, gefolgt von privaten Dienstleistungen und dem Zugang zu Gütern (923). Dazu zählt etwa Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt oder im Bereich Verkehr oder Personenbeförderung. Für das erste Quartal 2020 seien 1253 Anfragen verzeichnet worden.

Sowohl aus der Zahl als auch aus der Verteilung der Anfragen ließen sich aber „nur schwer Aussagen ableiten“, erklärt das Ministerium, „da Vulnerabilität, Meldebereitschaft, Sprach- und sonstige Barrieren von Betroffenen sowie das Problem des sogenannten Underreporting“ jeweils sehr unterschiedlich seien, ebenso wie die Häufigkeit und die Verteilung örtlicher Beratungsstrukturen.

Einfluss auf das Meldeverhalten

Die Zahl der tatsächlichen Diskriminierungsfälle liegt demnach wahrscheinlich deutlich höher – doch viele Betroffene melden diese Fälle nicht, etwa, weil sie kein deutsch sprechen oder weil sie glauben, eine Meldung werde ohnehin nichts bringen. Zudem stehen ihnen nicht überall gleichermaßen Unterstützungsangebote zur Verfügung, die sie auf einem solchen Weg begleiten könnten. Gleichzeitig kann eine aktuelle öffentliche Diskussion etwa über rassistische Diskriminierung dazu führen, dass sich im Nachgang mehr von Rassismus betroffene Menschen Hilfe suchen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie wurde 2006 entsprechend des damals neu eingeführten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingeführt und soll dieses bekannter machen, sowie Menschen für das Thema Diskriminierung sensibilisieren.

Eine Auskunft darüber, wie viele Klagen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgesetz es seit dessen Einführung gegeben hat, kann die Bundesregierung nur bedingt geben. Als das Gesetz 2016 evaluiert wurde, seien in der Datenbank juris 3.112 Gerichtsentscheidungen gezählt worden, in denen Bezug auf das AGG genommen wurde.

Doch auch diese Zahl könne nur „eingeschränkt Auskunft über AGG-relevante Klagen“ geben. Auch eine „umfassende Einschätzung der Bundesregierung dazu, wie das AGG im Hinblick auf die einzelnen Diskriminierungsmerkmale dazu beigetragen hat, Diskriminierung abzubauen, liegt nicht vor“.

„Schutz verbessern“

„Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldeten Diskriminierungsfälle ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte die Abgeordnete von der die Anfrage ausging, Ulla Jelpke, der taz. Diskriminierung sei in Deutschland „eine Alltagserfahrung, der Millionen von Menschen regelmäßig ausgesetzt sind“.

Das AGG habe dazu beigetragen, dieses Problem sichtbarer zu machen. „Aber der Schutz für Betroffene muss dringend verbessert werden“, sagte Jelpke. Möglich sei dies etwa durch ein Verbandsklagerecht für qualifizierte Antidiskriminierungsverbände, oder indem der Geltungsbereich des AGG auf staatliche Institutionen ausgeweitet wird.

„So könnte beispielsweise ein besserer Schutz für Menschen geschaffen werden, die aus rassistischen Motiven von der Polizei kontrolliert werden.“ Dass die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage diesbezüglich lediglich auf die Zuständigkeit der Länder verweist, nannte Jelpke ein „Armutszeugnis“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.