Familie in Corona-Krise: Vermeintlich emanzipiert

Gleichberechtigung ist ein schönes Wort, zumindest für den Normalbetrieb. Kommt aber der Viruslockdown, geht es zu leicht in alte Rollenmuster zurück.

Vater und Tochter im Einkaufwagen, beide tragen Masken

Papa ist schon wieder bei IKEA draußen Foto: Björn Kietzmann

Viele Eltern hatten zuletzt den Eindruck, dass sie und ihre kleinen Kinder einfach vergessen wurden. Bei all den Abwägungen zwischen Isolation und Öffnung ging es immer wieder um Alte und Vorerkrankte, um Risikogruppen, um Infizierte und Gesundete, um Schülerinnen und Schüler, um Abiturprüfungen und Mittlere Schulabschlüsse, um Verkaufsflächen über und unter 800 Quadratmeter.

Hyperlink:=Und die Kitas? „Andere Stätten wie Grundschulen oder Kitas bleiben vorerst zu“, sagte Angela Merkel Mitte April nach ihrer letzten Videokonferenz mit den Ministerpräsident*innen. Rumms. Als kurz darauf die Alpha-Ministerpräsidenten Armin Laschet und Markus Söder auch noch die Zeit fanden, live bei Bild einen möglichen Termin für den Neustart der Fußball-Bundesliga zu verkünden, fragte auch ich mich: Freunde, was sind eure Prioritäten?

Der Frust darüber sitzt bei vielen Eltern tief. Vor allem bei den Müttern. Denn machen wir uns nichts vor, in den allermeisten Familien sind wieder sie es, die die Kinderbetreuung leisten. Sie waren ja vorher schon beruflich kürzer getreten, außerdem verdient er viel mehr. Der Verzicht vieler Mütter in den Jahren vor der Pandemie wird also noch mal bestraft. Hinzu kommt: Viele Väter halten sich und ihr Tun von Natur aus für systemrelevant. Antonia Baum hat bei Zeit Online eine schöne Geschichte darüber geschrieben: „Die Beschlüsse zur Bekämpfung der Coronakrise drücken Frauen zurück in alte Rollenmuster. Hannelore (verheiratet, zwei Kinder) stellt sie jetzt mal infrage.“ Am Ende will Hannelore die Scheidung.

Das Virus und die Isolation legen die Verwundbarkeit vermeintlich emanzipierter Familienmodelle offen: Sie sind nämlich häufig nur so weit gleichberechtigt, wie es den männlichen Freiheitsraum nicht mehr als nötig einschränkt. Lange arbeiten? Muss schon noch gehen. Eigene Freizeit ohne Frau und Kinder? Muss schon noch drin sein. Während sich viele Väter plötzlich um diese Privilegien gebracht fühlen, merken Mütter, wie ungleich ihr Leben organisiert ist. Und was wir uns da eigentlich über all die Jahre zusammengelogen haben.

Also wird geschimpft: auf die Politiker*innen, auf die Leopoldina, auf den Bezirk, auf Ach-trifft-schon-den-Richtigen. Außerdem wird gefordert: Notbetreuung deutlich ausweiten (teilweise so deutlich, dass man das „Not-“ auch gleich streichen kann), Corona-Elterngeld einführen, auch kleinere Kinder in die Schulen aufnehmen und so weiter. Alles ist recht, was den Eltern ein bisschen Luft verschafft.

Vieles davon halte ich für richtig. Das Problem aber ist: Den Grund für all die Streits wird kein Staat, wird keine Maßnahme beilegen können. Wenn die Kitas wieder öffnen, wird der Konflikt vielleicht erst mal wieder verdeckt, aber er wird bleiben. Der Staat kann nur Rahmenbedingungen schaffen. Mehr nicht. Alles andere ist eine Frage für das Elternpaar. Oder die Paartherapeutin.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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