Berliner Feuilleton-House

Der Produzent Daniel Meteo nennt sein Label „Meteosound“. Die elektronische Musik, in der er verschiedene Einflüsse verarbeitet, klingt unverwechselbar

Daniel Meteo liest gern Krimis. Das Genre mit seinen klaren Regeln hat es dem House-Produzenten angetan, unterwegs hat er stets Bücher von Simenon oder Kollegen dabei. Aus seinen literarischen Vorlieben Rückschlüsse auf seine Musik zu ziehen, wäre allerdings vorschnell. Ein klares Genre ist bei ihm schwer zu erkennen. Bestes Beispiel: sein gerade erschienenes Album „Working Class“, auf dem sich schroffe Electronica, House und versprengte Dub-Rudimente am Rand der Tanzfläche begegnen.

Mit dem D-Wort wird Meteo weniger gern in Verbindung gebracht, aus dem einfachen Grund, dass es ständig geschieht: „Ich werde dieses Dub-Ding nie mehr los. Ich fühle mich so, als ob ich keine House-Musik machen dürfte.“ Als lupenreinen House kann man seine Stücke jedoch kaum bezeichnen, dazu spielen viel zu viele unterschiedliche Elemente in seine Musik hinein. Meteo ist im Grunde eine klingende Enzyklopädie seiner musikalischen Biografie.

Elektronische Musik spielte darin zunächst keine große Rolle. In Essen, wo er aufwuchs, regierten Metal-Bands wie Kreator. Mit fünfzehn spielte Meteo Gitarre, hatte seine erste Punkband. Zwar gab es auch im Essen der späten Achtziger schon Raves und mit der „Roten Liebe“ einen House-Club, in dem die Kölner DJ-Legende Hans Nieswandt auflegte, doch für Meteo war der vorherrschende „Handtaschen-House“ – schlichter, bejahender House mit Gesang – keine Option: „Im Ruhrgebiet hatte das keine gute Ausstrahlung.“

Erst mit dem Umzug nach Köln, wo er einige Zeit Musikwissenschaften studierte, bekam elektronische Musik für ihn größere Bedeutung. Meteo ging an das Institut, an dem seinerzeit Elektronik-Pionier Karlheinz Stockhausen gelernt hatte, und durfte den Komponisten bei einer eigens für die Studenten organisierten Aufführung seines Werks „Hymnen“ für Mischpult erleben, auch wenn die Erfahrung etwas ernüchternd war: „Der Meister kam reingewackelt, sein erstes Wort war: Ja, gibt hier nichts zu sehen, machen wir mal das Licht aus. Klack! Saßen wir alle im Dunkeln.“

Stockhausen im Dunkeln

Stockhausens Musik fand Meteo trotzdem gut. Ansonsten hörte er Jazzmusiker wie den Schlagzeuger Paul Motian oder erweiterte sein Repertoirewissen in alle möglichen Richtungen. Die Uniwelt hingegen begeisterte ihn wenig. Selbst der Wechsel nach Berlin zum Poptheoretiker Peter Wicke konnte nichts daran ändern, auch wenn ihm dessen Intellektualität sehr gefiel: „Ich habe mich trotzdem gelangweilt.“

Meteo verabschiedete sich aus dem musikwissenschaftlichen Betrieb und begann in einer Bookingagentur zu arbeiten. Dort lernte er Musiker wie Thomas Fehlmann oder Sun Electric kennen, stieg in die Szene des Berliner Ocean Clubs ein und legte regelmäßig im Club Maria als Reggae-DJ auf. Dort lernte er auch Tom Thiel kennen, mit dem er das Elektronik-Projekt Bus gründete. Vorher schon spielte der Dub-begeisterte Meteo in der „taz-Band“ Submission und baute parallel dazu sein Label Meteosound auf.

„Bei Dub gab es so eine elektronische Variante, Neodub hieß das damals. Das waren diese ganzen Engländer wie die Disciples und Zion Train, das hatte immer etwas Marschmäßiges, so richtig funky war das nicht, aber in den Clubs hat es funktioniert.“ Zur selben Zeit verfolgten in Deutschland die Elektronik-Produzenten Moritz von Oswald und Mark Ernestus mit ihrem Projekt Rhythm & Sound eine subtilere Vision von elektronischem Dub, die von den Popfeuilletons gefeiert wurde, in den Clubs aber nicht stattfand. Meteo wollte zwischen beiden Positionen vermitteln, und so entstand die Compilation „Meteosound Select Cuts“.

Vom Dub entwickelte sich Meteos Stil mehr und mehr hin zur elektronischen Clubmusik – und zugleich weg von den Genres. Für House zu experimentell, für Frickel-Elektronik zu geradlinig, würde man kaum einen der Klänge auf seinem Album „Working Class“ in dieser Konstellation erwarten. Besonders schön ist an seinen Überraschungen, dass sie sich nicht beim Hören erschöpfen, immer gibt es Neues zu entdecken. Richtig zufrieden mit sich wirkt Meteo dennoch nicht: „All meine Musik hat das Problem, dass ich zu sehr von allen Seiten beeinflusst bin. Es bleibt immer so verfrickelte, um die Ecke gedachte elektronische Musik. Man kann es vielleicht als Berliner Feuilleton-House bezeichnen.“

Tagsüber sitzt Meteo im Büro des Labels Shitkatapult, zu dem mittlerweile auch Meteosound gehört, und kümmert sich um das Booking für die Shitkatapult-Musiker Apparat und T.Raumschmiere, auch wenn ihm das ewige Flügebuchen nicht mehr viel Freude bereitet. Am liebsten würde er etwas anderes machen. Vielleicht hilft ja eine neue musikalische Identität wie ein klar begrenztes Acid-Projekt – auch wenn es als Scherz gemeint ist: „Manchmal habe ich das Gefühl, ich schleppe zu viel unabgeschnittene Geschichte mit mir rum. Die nächste Platte mache ich auf jeden Fall unter einem anderen Namen. Jack le Punk.“

TIM CASPAR BÖHME

■ Daniel Meteo: „Working Class“ (Meteosound). Release-Party heute 22 Uhr, Kantine am Berghain