Forderung Berliner Politiker: Kippt das Demo-Verbot?

Bislang wurde wegen Corona jeder Protest pauschal unterbunden. Jetzt fordern Berlins Koalitionspolitiker das Versammlungsverbot nachzujustieren.

Frau malt mit Kreise auf den Boden. Neben ihr: abgestellte Schuhe und das Schild "Kapitalismus tötet"

Protest am Aktionstag für die Geflüchteten aus den griechischen Lagern Foto: dpa

BERLIN taz | Die Kritik an pauschalen Versammlungsverboten durch die Coronaverordnung, auch für politische Kundgebungen, beschäftigt die Koalition. Vor allem innerhalb der Grünen und Linken ist man nicht glücklich über die Ereignisse vom Sonntag, als die Polizei Aktionen für die in griechischen Lagern eingesperrten Flüchtlinge unterband und dabei auch gegen Einzelpersonen und einen Autokorso vorging. Dutzende Personen wurden kontrolliert und müssen mit Bußgeldern und Verfahren rechnen.

In der Eindämmungsverordnung heißt es: „Für Versammlungen unter freiem Himmel von bis zu 20 Teilnehmenden kann die Versammlungsbehörde in besonders gelagerten Einzelfällen auf Antrag Ausnahmen (...) zulassen.“ Das ist bislang aber nicht Praxis. Stattdessen wurde etwa die angemeldete Versammlung der Seebrücke am Brandenburger Tor untersagt, ohne ein Gespräch mit dem Anmelder zu suchen.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, fordert im Gespräch mit der taz: „Die Versammlungsbehörde sollte in jedem Einzelfall prüfen, ob ein politischer Protest genehmigt werden kann, auch über 20 TeilnehmerInnen hinaus.“ Lux, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Seminare für Polizisten in Versammlungsrecht gibt, sagt: „Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist so elementar, dass keine Verordnung darüber stehen kann.“

Einschränkungen aufgrund des Infektionsschutzes seien jedoch „zulässig und auch geboten“. Möglich ist etwa, Teilnehmenden einer Kundgebung einen Mindestabstand oder das Tragen von Atemmasken vorzuschreiben. In Anlehnung an das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Versammlungsfreiheit erinnert Lux daran, dass ein Verbot „nur das letzte Mittel sein kann“; vorher sei „stets die Kooperation zu suchen“.

Druck wächst vor dem 1. Mai

Auf Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) wächst der Druck, die bisherige restriktive Linie zu verändern, auch aufgrund des bevorstehenden 1. Mai. Die Vorbereitungsgruppen der Autonomen 18-Uhr-Demo haben angekündigt, sich ihren Protest nicht nehmen zu lassen, in welcher Form auch immer. Sollten Tausende mit Schutzmasken auf die Straßen gehen, wäre das ein Dilemma: Reagiert die Polizei deeskalierend, ohne das Verbot zu verfolgen, oder versucht sie die Ansammlung aufzulösen – in beiden Fällen wäre der politische Schaden da.

Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader sagt: „Am besten wäre es, die Coronaverordnung zu ändern.“ So sind etwa in Bremen grundgesetzlich geschützte politische Versammlungen vom allgemeinen Versammlungsverbot ausgenommen. Hamburg hat seine Verordnung jüngst angepasst und eine Ausnahmeregelung hinzugefügt – ohne Beschränkung auf 20 TeilnehmerInnen.

„Mit entsprechenden Vorkehrungsmaßnahmen können Versammlungsrecht und Infektionsschutz in Einklang gebracht werden“, so Schrader. Den Linken-Senatoren sei das Problem der restriktiven Auslegung bewusst. Lux bestätigt, dass dies auch für Behrendt und Geisel gelte. Eine Anpassung der Coronaverordnung durch den Senat scheint demnach möglich.

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