Lieferando torpediert Betriebsratswahl: Ausgelieferte Mitarbeiter

Der Fahrradkurierdienst zahlt nur knapp über Mindestlohn und überwacht seine Fahrer. Nun sollte die Wahl eines Betriebsrats torpediert werden.

Ein Fahrer von Lieferando radelt im Park

Ein Job an der frischen Luft sieht besser aus, als er ist Foto: Roland Weihrauch/dpa

BOCHUM taz | Mit massivem Druck auf Beschäftigte und Gewerkschafter*innen hat der Fahrradkurier-Bestelldienst Lieferando versucht, Betriebsratswahlen am Standort Köln zu verhindern. „Das Lieferando-Management hat zunächst selbst die Herausgabe einer Wählerliste verweigert“, sagt Semih Yalcin, dessen Fahrradkurier-Wahlliste mit dem spacigen Namen „Riders – Guardians of the Galaxy“ als gewerkschaftsnah gilt.

Die Liste der Wahlberechtigten könne nicht erstellt werden, hatte Lieferando argumentiert: Die Tochterfirma des niederländischen Essensauslieferers Takeaway N.V. um den Unternehmer Jitse Groen hatte 2018 die Konkurrenz von Delivery Hero mit seiner Hauptmarke Foodora geschluckt. Bis heute argumentiert Lieferando deshalb, in Köln würden zwei Firmen betrieben – dabei nutzen die Fahrradkuriere am Rhein längst die gleiche App, tragen die gleiche Kleidung.

Vom Arbeitsgericht wurde die Firma deshalb zur Herausgabe der Wählerliste verdonnert. Danach tauchte prompt eine arbeitgebernahe Wahlliste mit dem Namen „Lieferando.de Register“ auf. Von deren 17 Kandidat*innen bekleiden neun Leitungsfunktionen. Mit dem „City-Coordinator“ Tarek Souissi kandidierte auch der ranghöchste Lieferando-Mitarbeiter in ganz Köln. Während die „Register“-Liste über den Lieferando-Verteiler Wahlwerbung machen durfte, bekamen die gewerkschaftsnahen „Riders“ weder Mailadressen noch Telefonnummern.

Auch am Tag der Betriebsratswahl soll der „City-Coordinator“ Souissi massiv Einfluss genommen haben – offiziell natürlich in seiner Eigenschaft als Betriebsratskandidat. „‚Du weißt, was zu tun ist‘, soll er Leuten gesagt haben“, erzählt Riders-Mann Yalcin. Vorwürfe, er habe Konkurrenten „Prügel angedroht“, weißt der „City-Coordinator“ als „natürlich nicht korrekt“ zurück. Er sei „im rechtlichen Sinne“ kein „leitender Angestellter“, findet der ranghöchste Mann von Lieferando in Köln – so dürfe er nicht über Einstellungen und Kündigungen entscheiden.

Alle 15 Sekunden getrackt

Zwar stimmten nur rund 40 Prozent der etwa 380 Kölner Lieferando-Beschäftigten ab. Allerdings konnten die „Riders“ mit 72 Kurieren mehr überzeugen – das „Register“ kam nur auf 65 Stimmen. Sechs gewerkschafts- und fünf arbeitgebernahe Betriebsräte stehen sich jetzt gegenüber. „Die Jobs bei Lieferando sind prekär“, sagt Elmar Jost, der bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). „Die Bezahlung der Fahrer liegt mit 10 Euro in der Stunde nur knapp über Mindestlohn, und viele arbeiten nur auf Minijob-Basis.“

Über die auf ihren privaten Smartphones laufende Auslieferungs-App werden die Fahrer permanent überwacht. „Wir werden alle 15 Sekunden getrackt“, sagt Semih Yalcin. Vor Gericht fordert der Mann der „Riders“-Liste gerade, dass Lieferando wenigstens teilweise an den Kosten für das Telefon und den Handyvertrag beteiligt. Den Verschleiß der privaten Fahrräder der Kuriere erstattet Lieferando erst ab April – zunächst in Form von Amazon-Gutscheinen. Bis zu 44 Euro im Monat soll es ab Juni geben.

Außerdem steht am 7. Mai vor dem Arbeitsgericht Köln die Entscheidung an, ob es sich beim Kölner-Lieferando-Standort tatsächlich um „zwei Betriebe handelt“. Immerhin: In dieser Frage scheint „City-Coordinator“ Souissi voraus. „Meiner Meinung nach stellen die ehemaligen ‚Foodora‘-Mitarbeiter keinen eigenen Betrieb im Unternehmen dar“, schrieb er der taz. „Sie sind elementarer Bestandteil der Fahrerflotte bei Lieferando.de.“

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