Krisenkoordination in Corona-Zeiten: Brandbrief aus dem Krankenhaus

Die Hamburger Krankenhausbewegung fordert eine 180-Grad-Wende im Kampf gegen das Coronavirus. Die Sparmaßnahmen der letzten Jahre seien nun spürbar.

Intensivmedizinerin bei der Arbeit

Rah und umworben: Medizinische Schutzkleidung und Beatmungsgeräte Foto: Dirk Waem/dpa

HAMBURG taz | Beschäftigte aller Berufsgruppen aus Kliniken, die sich in der Hamburger Krankenhausbewegung zusammengeschlossen haben, haben einen offenen Brief an Bürgermeister Peter Tschentscher und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer Storcks (beide SPD) verfasst. In dem Schreiben kritisieren sie die Zustände in den Krankenhäusern und warnen angesichts der Corona-Krise vor italienischen Zuständen wie etwa in Bergamo oder spanischen Verhältnissen.

Die rund 300 in der Krankenhausbewegung zusammengeschlossenen Klinik-Mitarbei­terInnen aus zwölf Hamburger Krankenhäusern, die nach eigenen Angaben von 4.500 weiteren Beschäftigten unterstützt werden, fordern „eine Umkehr um 180 Grad“. Durch die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre gebe es „einen absoluten Personalmangel in allen Bereichen“, der nun in einer Katastrophe münden könnte. „Wir hören, dass wir das beste Gesundheitssystem der Welt haben“, heißt es in dem Brief, aber: „Wir arbeiten in den Krankenhäusern und erleben das anders.“

Die Klinikbeschäftigten kritisieren vor allem die fehlende Krisenkoordination durch die Gesundheitsbehörde und die Gesundheitsämter. Es sei fatal, es den einzelnen Kliniken zu überlassen, wie sie sich für Katastrophenfälle vorbereiten.

„Alles läuft sehr konfus an den Klinken“, sagt Intensivpfleger Maik Sprenger. Wozu das führt, beschreibt die Intensivpflegerin Pauli Burghardt: „Es gibt beim Umgang mit Corona eine große Differenz zwischen den Häusern, jeden Tag gibt es neue Infos für das Personal und teilweise total unrealistische Arbeitsvorgaben von der Hausspitze.“ Deshalb dürften die Krisenstäbe der Häuser nicht nur aus der jeweiligen Klinik- und Pflegedienstleitungen bestehen, sondern müssten MitarbeiterInnen aus allen betroffenen Bereichen aufnehmen und „unter der Kontrolle von Gesundheitsbehörde und Gesundheitsämtern stehen“.

Zentral koordiniert werden müsse auch die „Verteilung von Schutzmaterial an die Häuser“, die derzeit – alle gegeneinander – um die Beschaffung konkurrierten. „Das führt dazu, dass sogar auf Stationen, wo positiv getestetes Klinikpersonal mit Patienten in Kontakt war, keine Schutzkleidung getragen werden kann“, steht in dem Brief. Schon jetzt seien Infektionen mit dem SARS-COV Erreger in manchen Kliniken nicht mehr eingrenzbar.

Produktionsstätten für Schutzkleidung gefordert

Die Initiative fordert nun den Aufbau von Produktionsstätten für Schutzkleidung in Hamburg und deren zentrale Verteilung. Zudem müssten KrankenhausmitarbeiterInnen und das Personal in Senioreneinrichtungen, sowie PatientInnen und HeimbewohnerInnen viel umfangreicher getestet werden, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Die Gesundheitsbehörde müsste eine Melde- und Koordinationsstelle für GesundheitsarbeiterInnen einrichten, um die Situation in den Kliniken zu erfassen. Zudem bräuchte es überall viel mehr Reinigungspersonal, um hygienische Standards zu erhöhen.

Eine Reaktion auf den Brief steht zwar noch aus, eine Reaktion auf die Belastung des Klinik- und Pflegepersonals durch die Gesundheitsbehörde aber gibt es bereits.

Am Freitag kündigte Prüfer-Storcks einen einmaligen finanziellen Bonus in Höhe von 1.500 Euro für die 30.000 Pflegekräfte der Stadt an, der aus Bundes- und Landesmitteln, sowie Ressourcen der Sozialversicherungen und der Arbeitgeber finanziert werden soll.

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