Die Wahrheit: Plüschige Seuche

Neues aus Neuseeland: Downunder heißt die Mutter der Nation Jacinda. So kommt man gut durch die Krise. Nur der Gesundheitsminister macht den Bad Boy.

Jeden Mittag tritt unsere Premierministerin, die heilige Jacinda der Schlacht gegen Corona, vor die Nation und gibt die neuesten Zahlen und Maßnahmen bekannt. Als Mutter der Nation und einer einjährigen Tochter hatte Ardern vorige Woche an alles gedacht: Auch die Zahnfee und der Osterhase seien „essential services“ und im Lockdown weiter im Einsatz, verkündete sie und bleckte ihr imposantes Gebiss zu jenem Lächeln, das Millionen Kiwis Mut spendet.

Obwohl in dieser Woche wieder infizierte Altersheimbewohner starben, gehen die Erkrankungen zurück. Die rigiden Regeln scheinen zu funktionieren. Die Grenzen sind seit Wochen dicht und alle brav zu Hause bis auf unseren Gesundheitsminister, der beim Mountainbiking und einer unerlaubten Fahrt zum Strand erwischt wurde und deshalb sicher gefeuert wird, wenn man ihn nicht mehr so dringend braucht wie jetzt.

Auch die Washington Post und CNN jubelten uns neidisch zu, wie gut wir die Situation meistern: Kurve nicht nur geglättet, sondern geplättet. Von starker Frauenhand werden besonders Neuseelands Eltern gern geführt. Denn Jacinda die Große gab ihnen auch noch Basteltipps: Wer keine Eier im Freien verstecken wolle, der könne ja einfach welche auf Papier ausmalen und diese ins Quarantänefenster stellen.

Es war die österliche Variante der Teddy-Schwemme, die unsere geliebte Führerin da dem Volk vorschlug. Denn seit vor drei Wochen der Lockdown begann, gibt es eine neue Spezies in Kiwi Country: Plüschbären. Die zweifache Mutter Deb Hoffman hatte sich von dem Kinderbuch „Wir gehen auf Bärenjagd“ inspirieren lassen und eine Facebook-Seite gestartet: „Wir haben keine Angst – Neuseeland Bärenjagd.“

Teddys baumeln von Bäumen

Familien folgten dem Aufruf und platzierten Teddys in ihre Fenster und Autos. Sie lassen sie von Bäumen baumeln und aus dem Gebüsch lugen. Mannshohe Bären mit Gesichtsmaske sitzen an der Straßenkreuzung, Plüschkapitäne winken im Hafen. Manche Stofftiere wechseln jeden Tag ihre Kleidung und schlüpfen in Rollen. Kinder freuen sich beim Spazieren über das Fenstertheater. Über 120.000 Teddybären wurden bereits auf einer Landkarte im Internet registriert.

Man könnte die Schwemme als Seuche bezeichnen, wenn das Ganze nicht so nett wäre. Auch Drohnen, die in Vorcoronazeiten eher geduldet statt geliebt wurden, haben plötzlich neue Fans. Drei Kinder in Christchurch, getrennt von ihren Großeltern, kamen so in den Genuss von Schokohasen: Oma Hazel und Opa Rory flogen den Süßkram zu Ostern mit einer Drohne über den Gartenzaun.

Nur das mit den Papierbild-Eiern hat nicht ganz so funktioniert, wie Jacinda Ardern es sich vorstellte. Als „egg“ bezeichnen Kiwis nämlich auch Idioten und Vollpfosten. Daher gab es diesmal etliche Eier zum Ausmalen und Ins-Fenster-Stellen, die statt bunten Tupfern und Mustern einen Donald-Trump-Kopf zum Ausmalen zeigten.

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

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kari

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