Extremsport im Homeoffice: Dreikampf auf der Stelle

Triathlet Jan Frodeno hat über Ostern einen Ironman absolviert – in seinem Haus. Das war gut für die Form, das Image und seinen Corona-Spendenfonds.

Frodeno schwimmt im eigenen Pool gegen den Strom

Kraulen im 13 Grad kalten Wasser: Jan Frodeno in der Gegenstromanlage Foto: Nik Howe/dpa

Hinter dem Triathleten Jan Frodeno liegt das ungewöhnlichste, aber wohl auch einprägsamste Osterfest seines bisherigen sportlichen Lebens. Genauso geschafft war danach sein Manager Felix Rüdiger. Die beiden 38-Jährigen, seit einer gemeinsamen Zeit am Olympiastützpunkt Saarbrücken freundschaftlich wie geschäftlich eng miteinander verbandelt, kümmerten sich am Tag danach um die Familien, um ein wenig zu entspannen. Denn auch organisatorisch war die am Ostersamstag zelebrierte Premiere für einen „Ironman daheim“ ein besonderer Kraftakt, galt es doch 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen zu absolvieren – in einem eigenen Pool, auf einem Rollentrainer und einem Laufband in einem Anwesen am Rande der spanischen Stadt Girona, all das live und virtuell erlebbar, um Hilfsgelder im Kampf gegen die Coronakrise einzusammeln.

Für den dreifachen Hawaii-Champion Jan Frodeno hatte der außergewöhnliche Tag um acht Uhr morgens mit dem Schwimmen in einem kleinen Becken begonnen, in dem kurz vor den rigiden Ausgangsbeschränkungen noch eine Gegenstromanlage installiert wurde. Dass Hund Duke das ins 13 Grad kalte Wasser steigende Herrchen spektisch anbellte, nahm der Ironman-Weltmeister ebenso erfreut auf wie die sich von Minute zu Minute steigernde Spendensumme.

Mit der Zielankunft waren immerhin 200.500 Euro zusammengekommen. Der Gesamtbetrag wird sich wohl noch deutlich erhöhen, ist die Plattform, auf der auch ein exklusiver Trainingstag mit Frodeno als Losgewinn lockt, noch bis zum 30. Mai freigeschaltet. Der eine Teil des Geldes geht als Soforthilfe für Helfer, Ärzte und betroffene Menschen des Coronavirus in Frodenos Wahlheimat, wo es an Atemmasken oder Schutzkleidung fehlt. Der andere Teil fließt in die Organisation „Laureus Sports for Good“, die sozial-sportpädagogische Projekte nach der Krise anstoßen will.

„Keine Weltrekorde gebrochen, aber es gibt keine Worte dafür, was heute passiert ist“, sagte Frodeno ergriffen, als er nach 8:33:40 Stunden die Fäuste geballt hatte, obwohl die Zeit ja zweitrangig war. „Ich bin überwältigt von der Unterstützung. Danke an alle, die online unterstützt, zugeschaut, gespendet, geradelt oder gelaufen sind. Vielleicht sogar geschwommen.“ Zwar hatte er nicht direkt dazu ermuntert, ihn nachzuahmen, aber rund 1.000 Mitstreiter ließen es sich nicht nehmen, über das Simulationsprogramm Zwift sich beim Radfahren und Laufen in den digitalen Windschatten zu begeben.

Plaudern mit Mario Götze und Boris Becker

Weltweit verfolgten Hunderttausende den über diverse Kanäle verbreiteten Live-Stream, den Massenblätter wie Bild oder Marca geschaltet hatten. Rüdiger hatte technisches Equipment aus Deutschland geliefert, um die Aktion ins rechte Bild zu rücken. Der Manager koordinierte aus Saarbrücken den Gesamtauftritt, die Bildmischung erfolgte über die Plattformbetreiber aus London, die Fragen zum „Tri@home“ überbrachte der gleich in der Nähe der Frodeno-Familie lebende Triathlon-Moderator Till Schenk, der auch die zugeschaltete Sportprominenz begrüßte.

Die Fußballweltmeister Mario Götze und André Schürrle, Tennis-Ikone Boris Becker und Kollegin Andrea Petkovic, Zeitfahrweltmeister Fabian Cancellara oder Triathlonkonkurrent Sebastian Kienle plauderten mit dem schwitzenden Hauptdarsteller, der seine Stimmbänder mindestens ebenso strapazierte wie seine Muskeln. Ehefrau Emma brachte derweil Kaffee und selbst gebackenes Bananenbrot, dessen Rezeptur in einem Einspielfilmchen verraten wurde: Zu den Zutaten gehören nämlich auch zwei Esslöffel Bier. Not macht vielleicht auch in kulinarischer Hinsicht erfinderisch. „Das ist der erste Ironman, bei dem ich mehr Kalorien zu mir nehme, als ich verbrenne“, scherzte der Triathlon-Olympiasieger von 2008 zwischendrin.

Mental sei es ansonsten eine große Herausforderung gewesen, „diese 226 Kilometer zu bewältigen, ohne mich mehr als fünf Meter von der Stelle zu bewegen“. Deshalb habe er auch nicht vor, diese Grenzerfahrung in der Isolation zu wiederholen. Vielleicht bleibt ihm aber bald gar nichts anderes übrig.

Die gerade an amerikanische Besitzer verkaufte Triathlon-Dachmarke Ironman mit ihren global mehr als 200 Veranstaltungen hält an mittlerweile realitätsfremd anmutenden Plänen fest, dass sich die Triathleten noch in diesem Jahr in weltumspannenden Rennen für den Höhepunkt am 10. Oktober auf Hawaii qualifizieren. Kürzlich wurden die Kriterien insofern aufgeweicht, als erstmals Startberechtigungen über ein sogenanntes Legacy-Programm erteilt werden. Vielleicht sind schon bald Slots über einen wie auch immer gearteten Heim-Ironman keine Utopie mehr. Jan Frodeno wäre der Konkurrenz mit seinem Osterfest 2020 schon wieder voraus.

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