Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Für die Party von morgen

Foto: privat

Um ehrlich zu sein: Dass hier alles auf eine Kaufempfehlung hinauslaufen würde, stand schon fest, bevor der Sampler auch nur fertig runtergeladen war. Das Zucker-Netzwerk, die angeschlossenen Künstler*innen und der Klub „P.ara“ brauchen schließlich Hilfe, weil auch ohne kommerzielle Absicht betriebene Projekte Geld kosten. In Zahlen heißt das ungefähr: 15.000 Euro für vier Wochen ohne Betrieb. Wobei keine*r weiß, ob es denn dabei bleibt.

Ein paar verkaufte Exemplare des neuen Soli-Samplers „Zupport“ à 10 Euro werden diese Lücke nicht schließen, das ist klar. Ein bisschen helfen werden sie aber schon und – wer weiß? – vielleicht ja auch Old-School-solidarisch Kraft geben für die nervenaufreibende Suche nach wirksameren Strategien. Apropos Strategie: Diesen Sampler jetzt für Kleckerbeträge rauszuhauen, spricht viel mehr für Vernunft als für Verzweiflung der Zucker-Netzwerker*innen. Denn natürlich liegt da noch Geld für den Bunkerumbau auf der hohen Kante und es wäre ganz bestimmt auch verlockend gewesen, jetzt für die laufende Kosten und Krisenbewältigung an die Reserven zu gehen. Es ist ein schwacher Trost, aber doch ein gutes Zeichen, dass sie es nicht tun.

So weit, so schlecht. Erheblich erfreulicher ist hingegen, dass der „Zupport“-Sampler sein Geld auch qualitativ mehr als wert ist. Neun Bremer Künstler*innen und Bandprojekte haben Songs gestiftet, vom „heimlichen Bausparer“ Mercedes Jens über die angepunkte Elek­tronik von Gladbeck City Bombing bis zu smbr – irgendwo zwischen Stampftechno, House und Drum ’n’Bass. Elektronische Tanzmusik jedenfalls, was genauso wenig überraschen dürfte wie der zurzeit hart-melancholische Einschlag dieser Tracks: Art Halk haben ihren Song „Depression“ beigesteuert, „One Last Dance“ kommt frickelig entrückt von Glamour und Gloom. Eine wunderschöne Musik, die von verwaisten Tanzflächen erzählt und es dabei irgendwie hinbekommt, den Bogen zu schlagen von naturgemäß verblichenen Erinnerungen hin zur gerade genauso schwer fassbaren Gewissheit, dass irgendwann schon alles weitergehen wird. Muss es ja.

Link zur Solidarität: Unter https://zucker1.bandcamp.com/releases

lässt sich, gegen Zahlung von 10 Euro aufwärts, das Album downloaden

Wer den Sampler übrigens vorbildlich gleich in den ersten Stunden auf Bandcamp gekauft und runtergeladen hat, sollte dringend nochmal wieder auf die Seite gucken: Die Track-Compilation wächst nämlich noch ein bisschen weiter. Ein, zwei Künstler*innen sollen mindestens noch draufkommen – bereits nachgerückt sind „Frühling“ von den Spröden Lippen und ein neuer Abgesang, der gewissermaßen die positiven Seiten der Quarantäne erinnert. Oder der zumindest klärt, dass es da draußen auch noch andere Probleme als immer nur Viren gibt: „Das letzte, was mir fehlt“, schreien Latent Genervt, „sind selbstbewusste Deutsche.“