Sportgroßveranstaltungen in Deutschland: Schlecht beraten

Sport und Politik arbeiten an einem Kozept für Riesenevents in Deutschland. Erste Entwurfe lassen nichts Gutes vermuten. Ein Gastbeitrag.

Ein Heißluftballon landet im Münchner Olympiapark

Gescheiterte Landung auf dem Olymp: Die Bevölkerung wollte die Spiele 2018 nicht Foto: Plusphoto/imago

Das Bundesministerium des Innern und der Deutsche Olympische Sportbund wollen gemeinsam und strategisch zusammenarbeiten. Sie versuchen sich in einem ersten Schritt an einem „Grobkonzept für eine Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen“, wie es im Koalitionsvertrag formuliert ist. Da für große Tanker und ihre Feinjustierung auch gerne Schlepper zum Einsatz kommen, wurde das Wirtschaftsberatungsunternehmen PricewaterhouseCoopers beauftragt.

Von Ministerien ist man aufgrund fehlender Expertise derartige Alleskönner gewöhnt. Aber muss der vom CSU-Mitglied und Beinahe-Landrat Alfons Hörmann geführte DOSB auch noch bereitwillig den Bock zum Gärtner machen? PwC ist genau jener Laden, der vehement e-sports protegiert und damit die komplett gegenteilige Position zum DOSB einnimmt. Man reibt sich verwundert die Augen über so viel Ignoranz und ahnt für Teile der Konzeption nichts Gutes.

Obwohl bislang auserwählte ExpertInnen und Verbände mitarbeiten durften, liest sich das soeben erstellte Grobkonzept wie von zielstrebigen BWL- und Jura-AbsolventInnen formuliert. Eine Kostprobe gefällig? „Standortattraktivität, Investoren, Mehrwert, Lebenszyklus, Nutzen, Stadtrendite“. So zieht sich das durch die 14 Seiten Text. In dieser „Logik“ dürfen begriffliche Unschärfen ebenfalls nicht fehlen.

Nachhaltigkeit wird mit Langfristigkeit gleichgesetzt. Anstelle der Städte richtet plötzlich ausnahmslos Deutschland Großveranstaltungen aus und neben Sport, Politik, Verwaltung und Wirtschaft gesellt sich auf gleicher Stufe „die Gesellschaft“. Von der Wissenschaft, dem natürlichen Feind von BeraterInnen, ist keine Rede. Dafür ist Klarheit von Bedeutung oder, um Edmund Stoiber zu zitieren, „weil das ja klar ist“: „Formvorgaben, klar definierte Abläufe und immer und immer wieder klare und einheitliche Kriterien“. So ist die kleine Welt der BeraterInnen immer händelbar.

Das führt ohne weitergehende Begründungen bedauerlicherweise zu einigen Fehlschlüssen. Sport, Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft werden als gleichrangige Handlungsziele aufgeführt. Als ob da keine Antagonismen existieren und Sportgroßveranstaltungen nicht ein klein wenig überfordert würden. „Vielfalt des Sports“ ist eben nicht gleichzeitig mit „wirtschaftlichem Mehrwert“ kompatibel. Und nein, das Bruttoinlandsprodukt wird nicht erhöht, liebe KollegInnen von PwC. Bitte mehr Fachliteratur lesen!

Und noch was. Die Bevölkerung ist nicht begriffsstutzig. Den für Sportgroßveranstaltungen unterstellten Nutzen nehmen sie nicht „eingeschränkt wahr oder zweifeln ihn sogar an“, sondern sie wenden sich gegen den Missbrauch des Sports für gänzlich andere, sportfremde Zwecke. Dass dieser „Effekt noch durch kritische Medienberichterstattung“ befördert wird, ist anscheinend die schnappatmende Höhe für ein Medienverständnis, das auf Hofberichterstattung setzt.

Bis zur komplett ausformulierten Strategie ist noch bis Ende des Jahres Zeit. Als Anregung könnten etwa Kriterien wie Sport für alle oder Gemeinwohlorientierung sowie Festkultur Eingang finden. Dafür existiert sportfachliche, interdisziplinäre und hoffentlich durchsetzungsfähige Expertise. PwC ist lediglich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Westfälischen Hochschule Bocholt. Zuletzt erschienen: „Sportgroßveranstaltungen – Kritik der neoliberal geprägten Stadt“ (Springer VS 2020)

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.