Hilfsaktion für geflüchtete Kinder: Einfach erbärmlich

Erntehelfer werden eingeflogen. Aber bis heute hat Berlin kein einziges Kind aus griechischen Camps geholt.

drei kleine Kinder stehen vor einem blauen Campingzelt

Die Bundesregierung belässt es beim Nichtstun, deshalb sitzen die Kinder noch auf Lesbos fest Foto: Panagiotis Balaskas/ap/dpa

Sage niemand, die Bundesregierung sitze die Dinge aus. Sie hilft schnell, unbürokratisch und entschlossen, wenn wahre Not droht. 80.000 ausländische Erntehelfer werden demnächst unter strengsten Auflagen eingeflogen. Sie dürfen nur per Flugzeug einreisen und werden von ihren Betrieben an von der Bundespolizei festgelegten Flughäfen abgeholt. Die Spargelkrise ist abgewendet, gerade noch.

An anderer Stelle belässt es die Regierung leider beim Nichtstun, nämlich da, wo es wirklich um Menschenleben geht. Vor einem Monat hat sie versprochen, zusammen mit anderen EU-Staaten 1.500 Kinder aus den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln zu retten. „Retten“ ist das richtige Wort, denn die Zustände dort sind menschenunwürdig. Apathische und traumatisierte Kinder sitzen frierend im Schlamm, sie schlafen in unbeheizten Zelten, die hygienischen Bedingungen sind katastrophal.

Eigentlich ist es Wahnsinn, dass die EU die überfüllten Flüchtlingscamps angesichts der Corona-Epidemie nicht sofort evakuiert. 1.500 Kindern zu helfen, das wäre eine kleine, ungenügende Geste, nicht mehr. Und selbst an dieser Geste scheitert die Bundesregierung bisher. Das Innenministerium räumt ein, dass innerhalb von viereinhalb Wochen kein einziges Kind nach Deutschland geholt wurde. Für dieses Versagen gibt es keine Entschuldigung, auch wenn das Innenministerium auf die EU-Kommission verweist, die das Ganze koordiniert. Die Regierung muss auf eigene Faust handeln, sonst macht sie sich schuldig.

In Krisen zeigt sich, wer man ist, nicht, wer man sein will. Einerseits werden in einem unbürokratischen Kraftakt Tausende Erntehelfer eingeflogen, damit die BundesbürgerInnen ihr heißgeliebtes Gemüse wie gewohnt im Edeka um die Ecke erwerben können, mit dem gebotenen Sicherheitsabstand natürlich. Aber gleichzeitig schafft es Deutschland nicht, kranken Kindern aus existenzieller Not zu helfen? Das kann man wirklich nur noch erbärmlich nennen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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