Die Bundeswehr in der Coronakrise: Keine Lorbeeren zu holen

Lokale Behörden wollen, dass die Bundeswehr eine Flüchtlingsunterkunft in Suhl bewacht. Aber die Streitkräfte haben darauf nicht so richtig Lust.

Polizisten in weissen Schutzanzügen in der Flüchtlingsunterkunft Suhl

Polizei im Einsatz in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl Foto: Wichmann TV/dpa

BERLIN taz | Ein Amtshilfeantrag an die Bundeswehr, die Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl zu bewachen, zeigt die Schwächen wertiger Sicherheitsvorsorge in der Corona-Pandemie. Zunächst vom Verteidigungsministerium abgelehnt, wird der Antrag nun erneut geprüft, so ein Sprecher des Landeskommandos Thüringen. Die Bundeswehr hatte den Antragssteller – das Landesverwaltungsamt – zuvor aufgefordert, sein Ersuchen zu präzisieren.

Das Amt hätte gerne zehn Bundeswehr-Soldaten, um im Schichtdienst das Hausrecht in dem Flüchtlingsheim in Suhl durchzusetzen, das unter Corona-Quarantäne steht. Um eine bewaffnete Wache ginge es dabei nicht, so der zuständige Referatsleiter Mathias Reinhardt. Seine Sicht: „Die sollen keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen wie Ausweiskontrollen, sondern nur normale Bewachung – sprich Pförtnerdienste.“

Das Problem in Suhl: Die Quarantäne hat auch die Mannschaft der zivilen Wachfirma massiv ausgedünnt. Am Markt bekommt die Firma niemanden, um ihre Ausfälle zu kompensieren. Für fast 500 Flüchtlinge seien deshalb nur vier Wachleute tagsüber, zwei in der Nacht verfügbar. Das reicht nicht für die Torlogistik, wie den Empfang von Nahrungsmitteln und die ernsthafte Begehung der zwei Wohnkomplexe. Hier geht es im Wesentlichen darum, Streit zu schlichten und zu wissen, wo sich die Menschen aufhalten, sollte ein Feuer ausbrechen.

Vor Kurzem rückte die Landespolizei mit einem Großaufgebot an, um eine Gruppe Flüchtlinge aus der Unterkunft zu holen, die gegen die Quarantäne aufbegehrte. Dort hatte es einen mit dem Coronavirus Infizierten gegeben, worauf eine 14-tägige Isolation bis Ende dieser Woche verhängt wurde. Die Störer seien weg; doch der Vorfall verbunden mit imaginären Ängsten in der Bevölkerung vor massenhaft Corona-Infizierten im Heim habe dieses zum „Angstobjekt“ gemacht, so Mathias Reinhardt vom Referat für Flüchtlinge beim Landesverwaltungsamt.

Auch der Landespolizei fehlen wohl die Ressourcen

Seit den Querelen ist die Landespolizei vor Ort, um mögliche Störer festzunehmen und Quarantäne-Ausbrüche zu unterbinden. Die normale Wache zu übernehmen, lehnt sie aber ab, so ein Sprecher der Landespolizeidirektion auf Anfrage. Die eigenen Kräfte seien durch die Gesamtlage der Corona-Pandemie bereits ausgereizt. Neben Suhl würde die Quarantäne-Bewachung der separierten Störer in einem anderen Landkreis nochmals Polizisten binden.

Zu ihren eingesetzten Personalstärken will sich die Landespolizei nicht äußern. An Bereitschaftspolizei – die für solche Unterstützungsaufgaben zuständig ist – hat Thüringen drei Einsatzhundertschaften. Eine rund um die Uhr Überwachungseinsatz größerer Objekte wie in Suhl dürfte bereits eine solche Hundertschaft binden.

Reichen die Kräfte einer Landespolizei in Krisenzeiten nicht mehr aus, wäre eine Verstärkung aus anderen Bundesländern nebst Bundespolizei der nächste Schritt. Denn es gilt das Subsidiaritätsprinzip der Verfassung. Jenes besagt, dass bei der Amtshilfe, zuvorderst die nächst bestgeeigneten Behörden beispringen.

Doch ein solches Ersuchen wurde wohl unterlassen. Denn für die Organisation der Sicherheitsvorsorge der Flüchtlingsunterkunft sehen sich weder das Innen- noch das Migrationsministerium Thüringens verantwortlich. Sprecher dieser Ministerien verweisen jeweils auf eine Zuständigkeit des anderen Ressorts.

Eine unattraktive Aufgabe

Nun also die Anfrage an die Streitkräfte durch die lokalen Behörden. Dass die Bundeswehr zur Katastrophenhilfe beiträgt, sieht das Grundgesetz vor. Der Beistand mit zivilen Mitteln – vor allem Logistik – hat Tradition; wie bei der Elbeflut 2002. Auch in der Corona-Pandemie liegt dort der Schwerpunkt, mit der Aufstockung von Sanitätsmaterial ziviler Krankenhäuser.

Geht es jedoch in Richtung Eingriffsrechte, beispielsweise das Absperren und Kontrollieren, darf die Bundeswehr nur nach Vorgabe der jeweiligen Landespolizei agieren, so die gängige Rechtsauffassung. Ein für die Streitkräfte unattraktives Prozedere.

Bisher zeigte die Bundeswehr kein gesteigertes Interesse, sich auch als Ergänzungs-Ordnungshüter in der Katastrophenhilfe zu profilieren. Selbst auf ihrer Fähigkeitsliste für Groß-Terrorlagen hat die Armee nur den Objektschutz als einzige hoheitliche Aufgabe gelistet.

Hierunter versteht die Bundeswehr die Bewachung kritischer Infrastruktur wie Wasserwerken, nicht von Objekten mit kritischen sozialen Gefügen wie Flüchtlingsheimen. Auch einem normalen Wachdienst dort dürften die Streitkräfte somit eher abgeneigt sein. Zumal Lorbeeren in der Öffentlichkeit hier kaum zu holen sind; eher droht Ärger. Für rechte wie linke Politiker wäre ein Wachdienst von Soldaten bei Flüchtlingen wohl eine Steilvorlage.

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