corona in bremen
: „Menschen, die nicht in die Notversorgung kommen“

Foto: privat

Katharina Kähler, 40, ist Bereichsleiterin der Wohnungslosenhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe der Inneren Mission in Bremen.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Kähler, was trifft obdachlose Menschen jetzt am härtesten?

Katharina Kähler: Durch die momentane Reduktion des öffentlichen Lebens fehlen Infrastrukturen, soziale Kontakte, Aufenthalts- und Verdienstmöglichkeiten, etwa wenn die Zeitschrift der Straße nicht mehr verkauft werden kann. Die größte Härte ist für viele, dass sie jetzt auf sich allein gestellt sind.

Wie wird da geholfen?

Im Moment läuft eine Klärung, ob die mit den Sozialressort abgestimmte Kälteregelung verlängert werden kann. Diese Notfallunterbringung stellt sicher, dass Menschen, die aufgrund ihrer Situation keine Leistungsansprüche haben, bei Frosttemperaturen einen Schlafplatz haben. Oft halten sich diese Menschen mit prekären Jobs über Wasser, mit denen sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren können und verfügen deshalb auch über keine eigene Unterkunft.

Wie hat sich die Unterstützung verändert?

Tagesaufenthalte wie das Frauenzimmer, die Bahnhofsmission und das Café Papagei mussten aus Sicherheitsgründen schließen. Im Café Papagei gibt es aber weiterhin ein betreutes Duschangebot mit entsprechenden Hygienemaßnahmen. Dort wird auch nach wie vor Essen zubereitet und es werden Lunchpakete gepackt, die die Streetworker:innen in der Stadt verteilen. Dabei wurde das Stadtgebiet Bremen innerhalb der Träger- und Organisationslandschaft aufgeteilt und ein gemeinsamer Sozialstadtplan mit Angeboten während der Coronakrise entwickelt. Das Ziel ist unter anderem, nicht alles auf den Hauptbahnhof zu konzentrieren, weil viele Menschen nicht mobil sind. Wir wollen diese Dezentralität auch, um die Gefahr von Ansteckungen gering zu halten. Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen der Einhaltung vieler notwendiger Vorgaben und der Herausforderung von direkter und unbürokratischer Hilfe.

Keine Leistungsansprüche bedeutet auch keine Krankenversicherung. Gibt es trotzdem eine gesundheitliche Versorgung?

Wir haben in Bremen den Verein zur medizinischen Versorgung Obdachloser, der Sprechstunden und medizinische Hilfe anbietet. Analog zum Hausärztemodell würde etwa bei einem entsprechenden Verdacht eine Überweisung in die Corona-Ambulanz stattfinden. Aufgrund ihrer Lebensbedingungen – Armut und der fehlende Zugang zu Hygiene – haben wohnungslose Menschen oft einen reduzierten Gesundheitszustand und gehören damit zur Risikogruppe. Besonders im Fokus stehen dabei momentan Menschen, die Schwierigkeiten haben, in Gemeinschaftsunterkünften zurechtzukommen und deswegen nicht in die Notversorgung kommen.

Wie kann man als Einzelne:r jetzt Solidarität zeigen?

Was gerade am meisten hilft, sind Spenden und da zählt wirklich jeder Euro, um die unbürokratische Versorgung so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Dazu gibt es auf der Webseite der Inneren Mission verschiedene Projekte. Direkte Hilfe ist aber auch im Alltag möglich, etwa indem man einem Verkäufer der Zeitschrift der Straße mal zwei Euro mehr zusteckt. Mit Menschen sprechen und fragen, ob sie etwas brauchen, kann man auch aus zwei Metern Entfernung. Ein freundliches Lächeln und ein Gruß sind Dinge mit wenig Aufwand, die auch eine Haltung des Miteinander und der gegenseitigen Verantwortung ausdrücken. Wir freuen uns, dass wir auf so viele engagierte Menschen treffen, denen Solidarität mit Menschen in Notlagen wichtig ist!