Vereinsbosse über Fußball nach Corona: „Wir müssen umverteilen“

Die Vereinschefs von FC Bayern und Borussia Dortmund, Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke, sind voller Ideen, wie der Fußball sozial wird.

Watzke und Rummenigge bei einer Diskussionsveranstaltung

Mahner zur Umkehr: Karl-Heinz Rummenigge... Foto: Andreas Gebert/dpa/picture alliance

taz: Herr Rummenigge, Herr Watzke, wir sind überrascht. Fifa-Chef Gianni Infantino und auch Uli Hoeneß haben schon laut über einen veränderten Fußball nach der Coronakrise nachgedacht. Kann sich der Profifußball denn neu erfinden?

Karl-Heinz Rummenigge: Seien Sie versichert, dass wir die Lage sehr ernst nehmen und wirklich alles auf den Prüfstand stellen. Ein „Weiter so“ wird es mit dem FC Bayern nicht geben. Der FC Bayern ist in seiner Geschichte aus Krisen stets gestärkt hervorgegangen. Wir haben zwei Weltkriege überstanden.

Hans-Joachim Watzke: Bis vor Kurzem habe ich noch gedacht: Real Madrid, Barcelona und der FC Bayern können jedes Problem der Welt mit Geld lösen. Aber jetzt helfen keine Kontostände. Das ist kein Wunschkonzert mehr. Schauen sie sich um, wie viel Existenzen im Profifußball auf dem Spiel stehen. Wir tragen eine große Verantwortung und manchmal muss man im Leben Stellschrauben neu justieren.

Was heißt das konkret?

Watzke: Wir können derzeit leider kein Fußball spielen. Das nervt mich gewaltig. Was aber jetzt viel wichtiger ist: Wir können Fußball gestalten. Wir spüren gerade, wie wichtig eine große Gemeinschaft ist, die füreinander einsteht. Unser Wunsch ist es, dass die BVB-Familie größer wird. Jetzt haben wir die Zeit, uns darum zu kümmern. Wir werden eine Frauenabteilung aufmachen. Das machen wir natürlich nicht aus Jux und Tollerei. Am Ende zählen die Ergebnisse.

Hans-Joachim Watzke Geschäftsführer/Dortmund.

...und Hans-Joachim Watzke warnen vor Ich-AGs im Profifußball Foto: Eibner Pressefoto/imago

Rummenigge: Eine wunderbare Entscheidung. Wir müssen aufhören, immer nur finanziell zu ticken. Deshalb wird der FC Bayern künftig keine Trainingslager mehr in Katar beziehen. Wir stehen in guten Gesprächen mit der Stadt Bergamo und wollen unseren Anteil leisten, damit die Menschen dort ein Stück weit auch wieder Freude am Leben haben. Am Ende des Tages zählt die Solidarität.

Herr Watzke, Ihre Äußerung kürzlich, dass Sie nicht Klubs aushelfen wollen, die schlecht gewirtschaftet haben, kam in der Öffentlichkeit nicht gut an.

Watzke: In der ersten Erregung sagt man viel. Es war schon immer die Haltung von Borussia Dortmund, gesellschaftlicher Verantwortung mit barer Münze gerecht zu werden. Nun müssen wir einen Schritt weitergehen. Wir schlagen vor, dass die Teams, die von den Einnahmen internationaler Wettbewerbe profitieren, der Liga einen erheblichen Anteil davon zurückzahlen.

HANS-JOACHIM WATZKE Der Sauerländer, 51, ist von Kindesbeinen an Fan von Borussia Dortmund. 1996 wurde er Mitglied beim BVB, 2001 Schatzmeister des Vereins. Seit Februar 2005 ist Watzke Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH und Co. KGaA.

Rummenigge: Das ist ja unser Brot-und-Butter-Geschäft. Wir haben nichts davon, wenn die anderen nichts mehr zu essen haben. Es muss gerade jetzt mehr Rationalität in die Liga hineinkommen. Deshalb unterstützt der FC Bayern den Wunsch nach mehr Umverteilung. In dieser bedrohlichen Lage müssen wir mit Empathie und Sensibilität gegensteuern.

Konkret?

Rummenigge: Die Verteilung der TV-Gelder ist suboptimal und passt nicht zu der neuen Zeit.

Was heißt das?

Rummenigge: Mein Ratschlag wäre es, nicht die reichen Vereine mit noch mehr Geld zu überschütten, während die anderen Klubs zahlreiche Mitarbeiter entlassen müssen. Der Mensch ist immer der wichtigste Faktor. Wir wollen ein seriöser und fairer Partner sein.

Das sind ja völlig neue Ideen.

Rummenigge: Ach was, das ist noch längst nicht alles. Wir können nicht immer über Werte sprechen und dann einfach immer weiter unser Ding durchziehen.

Watzke: Mit Ich-AGs können wir die schwerwiegenden Problem nicht lösen. Da bin ich ganz Fußball-Romantiker.

Rummenigge: Wir haben bei der Uefa einen Antrag eingereicht, dass künftig Transfers die Grenze von 80 Millionen nicht überschreiten dürfen. Aber auch die Großen brauchen Hilfe, weswegen eine Aussetzung des Financial Fairplay zum Solidarpakt gehören muss.

Watzke: Wir haben die DFL aufgefordert, einen obligatorischen Soli-Beitrag aller Bundesligaspieler von fünf Prozent einzuführen und die Vereine darauf zu verpflichten, auf Neueinkäufe kommende Saison zu verzichten.

Rummenigge: Wir haben weitere Projekte in der Pipeline. Ich bin meinem Freund Uli (Hoeneß, Anm. d. Red.) zu großem Dank verpflichtet, dass er wieder ins operative Geschäft einsteigt. Als Corona-Beauftragter des FC Bayern hat er in den letzten Tagen bereits etliches angeschoben. Dazu zählt die Initiative „Die Großen haben ein Herz für die Kleinen“.

Watzke: Es wäre aus jeder Perspektive dumm, wenn wir uns jetzt nicht um die strukturschwachen Vereine kümmern. Wir überlegen, unsere nächsten Heimspiele an Standorten wie Chemnitz oder Magdeburg auszutragen. Geisterspiele in kleineren Stadien sind nicht ganz so trist. Und die Leute vor Ort hätten ein wenig Arbeit. Wir wollen schließlich alle Fußball spielen und keine Bank aufmachen.

Diese Nachricht, dass binationale Ehen akut von Zwangsscheidung infolge des Brexits bedroht seien, war natürlich ein Aprilscherz. Auch auf der Insel geschlossene Ehen sind nach einem EU-Austritt Großbritanniens weiter gültig – mal abgesehen vielleicht von politischen Differenzen und sonstigem Ehekrach. Zwar stimmt es, das bereits über 8.800 britischen Berliner*innen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt haben. Auch sind längere Wartezeiten in hiesigen Standesämtern nicht unüblich. Aber der Rest des Artikels „Bis dass der Brexit euch scheidet“ war frei erfunden: Weder gibt es das katholische Ehepaar Miller, das nun in Sünde leben muss, noch den 50-jährigen Briten, der zum Brexit-Fan mutiert ist, weil er keinen Unterhalt mehr zahlen muss. Gegen entstandene Aufregung helfen warmes Ale und Douglas-Adams-Zitate: Don’t panic. (taz)

Herr Rummenigge, die Bundesliga-Saison müsse unbedingt zu Ende gespielt werden, notfalls noch im Herbst, so ihre jüngste Forderung.

Rummenigge: Mit dem Ball kommen auch unsere Hilfsprogramme erst richtig ins Rollen. Es geht hier um die Würde des Menschen. Wie der FC Bayern ist auch sie nicht umsonst die Nummer 1, und zwar im Grundgesetz.

Die Fanszene geht gerade mit tollen Hilfsaktionen voran.

Watzke: Das zeigt, dass wir trotz aller Verwerfungen an einem Strang ziehen. Die Grabenkämpfe von gestern dürfen uns nicht mehr belasten. Wir müssen in einen Dialog kommen und da will ich das Thema Pyrotechnik nicht per se ausschließen. Am Ende des Tages eint uns die Liebe zum Fußball.

Rummenigge: Meine Worte.

Protokoll: Johannes Kopp

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