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Mehr Marathon als Sprint

Große Konzerne engagieren sich zunehmend in Sachen Diversity und Inklusion. Kleineren Unternehmen ist dies laut einer EU-weiten Studie oft noch zu teuer und kompliziert

Für Diversity braucht es eine bunte Belegschaft und eine offene Betriebskultur Foto: Melanie Duchene/Keystone/picture alliance

Von Alina Schwermer

Um zu verdeutlichen, wie wichtig Inklusion beim Thema Diversity ist, hilft malerisch das Beispiel von der Giraffe und dem Elefanten. Das geht sinngemäß so: Die Giraffe hat ein Haus gebaut und möchte dort mit dem Elefanten zusammenarbeiten. Aber als der Elefant das Haus betreten will, ist die Tür zu schmal für ihn. Die Giraffe rät dem Kollegen zum Fitness-Abo. Doch auch das Innere des Giraffenhauses ist für den Elefanten nicht so richtig tauglich, es ist halt für Giraffen gebaut. Und nach einigem Hin und Her fragt der Elefant: „Sollten wir nicht stattdessen einfach das Haus anders bauen?“

Die simple Botschaft: Es reicht nicht, die eigene Belegschaft im Unternehmen etwa nach Geschlecht, Herkunft oder sexueller Identität stärker zu durchmischen, solange nicht auch in der Betriebskultur Gleichberechtigung herrscht. So steht es in der Analyse „Diversity und Diversity-Management im Unternehmen“.

Im Vergleich zu Pionieren wie etwa den USA haben deutsche Unternehmen lange gebraucht, um sich mit Themen wie Diversität und Inklusion auseinanderzusetzen. Ungefähr ab den neunziger Jahren wurde das Thema im deutschsprachigen Raum relevant, zuerst in den großen Konzernen. Dieser Rückstand zeigt sich etwa daran, dass bei Themen wie „Diversity“ und „Unconscious Bias“ weiterhin vorwiegend die englischen Originalbegriffe genutzt werden – durchaus problematisch, weil dadurch viele Menschen ausgeschlossen sind, die durch geringere Bildung oder fehlende Sprachkenntnisse mit den Begriffen wenig anfangen können.

Auch darum haftet der Diversity hartnäckig das Image des Elitären an, obwohl es eigentlich ums Einschließen statt Ausschließen geht. Nicht nur Vielfalt bei Geschlecht, sexueller Identität oder Migrationshintergrund, sondern auch Bildung, Alter, Kompetenz, Religion und körperlicher oder geistiger Einschränkung sollen durch Diversity- und Inklusionsmanagement im Betrieb zunächst anerkannt werden; dann können durch Workshops und andere Maßnahmen alle möglichst gleiche Chancen erhalten.

Aspekte reichen von „Förderung von Frauen zur Erlangung von Führungspositionen (Ge­schlechter-Diversität), der Bereitstellung von Betriebskindergärten für Mitarbeiter mit Familie, Programmen zur Bindung älterer Mitarbeiter (Alters-Diversity), der Einrichtung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen, Konzepten zur Balance von Arbeit und Freizeit (Work-Life-Balance) bis in das internationale Kulturmanagement“, so das Gabler Wirtschaftslexikon.

Neben Chancengleichheit geht es allerdings vielen Unternehmen auch oder vor allem um das Erobern neuer Märkte und mehr Innovation durch gemischteres Personal. Studien belegen etwa, dass Unternehmen, die Diversity überzeugend umsetzen, eine neue Konsumentenbasis aufbauen konnten, erfolgreicher waren und Fehlzeiten beim Personal reduzierten. Durch die Globalisierung haben große Konzerne kaum eine Wahl, weil sie sich auf sehr diversen Märkten positionieren und vor Ort überzeugen müssen.

Wie intensiv Inklusion und Diversität umgesetzt werden, auf diesem Gebiet bestehen allerdings große Unterschiede. Eine Studie von 2016 durch die Charta der Vielfalt befragte sowohl teilnehmende Unternehmen als auch zufällig ausgewählte Führungskräfte nicht teilnehmender Unternehmen.

Drei der fünf wichtigsten Maßnahmen der deutschen Firmen zu Diversity zielten auf die „Flexibilisierung der Arbeitssituation“, etwa bei Erkrankungen in der Familie oder der Wahl des Arbeitsorts. Das kann Eltern helfen, spricht aber eher für übliche neoliberale Flexibilisierung als für umfassende Diversity-Maß­nahmen.

Und während teilnehmende Unternehmen durchaus viel taten, sah im nationalen Querschnitt eine Mehrheit beim Thema sexuelle Orientierung und beim Thema Religion keinen Handlungsbedarf.

In großen Konzernen scheint sich die Perspektive zunehmend zu ändern. In kleinen und mittleren Unternehmen dagegen herrscht laut einer von der Europäischen Kommission finanzierten EU-weiten Studie oft noch Skepsis. Zu teuer und kompliziert, nur für Großunternehmen, so lauten offenbar gängige Vorurteile. Und oft fehle es an Wissen, dass Inklusion dem eigenen Betrieb helfe, statt ihn zu belasten.

Sinnvoll ist dabei eine breite Palette an Maßnahmen. Zum Beispiel Netzwerke für einzelne Diversity-Gruppen, sodass diese selbst Themen im Betrieb einbringen können; Mentoring-Programme für Minderheiten und klar gesetzte Quotenziele; Workshops, die die Vielfalt der Lebenserfahrungen, Meinungen, Alltagsrealitäten der MitarbeiterInnen erfahrbar machen; Workshops gegen „unconscious bias“ bei Bewerbungen; Sponsoring etwa von inklusiven Veranstaltungen, Inklusionstage, flexible Teilzeit- und Elternzeitmodelle; an den Betrieb angegliederte Kinderbetreuung.

Vor allem ist wichtig, dass die Führungsetage und Belegschaft tatsächlich hinter den Programmen stehen. Niemand muss damit rechnen, dass das in kürzester Zeit Verbesserungen bringt. Der Diversity- und Inklusionsberater Hans Jablonski schreibt: „Entscheidend ist, zu verstehen, dass die Einführung und Umsetzung von Diversity in Unternehmen kein Sprint, sondern ein Marathon ist.“