Spahn: „Das ist Ruhe vor dem Sturm“

Keiner könne sagen, was in den nächsten Wochen der Coronakrise komme, betont der Gesundheitsminister. Es sei nötig, Kapazitäten in Kliniken zu erhöhen und viel und zielgerichtet zu testen. Der Städtetag will ein Konzept für geordnete Rückkehr zum Alltag erarbeiten

Von Ulrich Schulte

Für Jens Spahn ist es ein Balanceakt. Er muss den Ernst der Lage klarmachen, kann aber auch die ersten Rufe nach einer Lockerung der strengen Ausgangsbeschränkungen nicht ignorieren. Deshalb spricht er erst mal Klartext. „Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm“, betont er. Und: „Keiner kann genau sagen, was in den nächsten Wochen kommt.“

Der Gesundheitsminister ist am Donnerstag mit mehreren WissenschaftlerInnen in die Berliner Bundespressekonferenz gekommen, um ein Update im Kampf gegen die Corona-Epi­de­mie zu liefern. Offensichtlich ist: Auf die Ärz­tIn­nen und Pfle­ger­In­nen im Gesundheitssystem kommen noch stärkere Belastungen zu. Der Höhepunkt ist noch längst nicht erreicht. Es sei weiterhin nötig, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und gleichzeitig die Kapazitäten in den Kliniken zu erhöhen, betont Spahn. Bund und Länder hatten das Ziel ausgegeben, die 28.000 Intensivplätze in Deutschland zu verdoppeln. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch keine gesicherte Aussage gemacht werden, ob sich die Infektionsdynamik abgeschwächt hat“, sagt der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. Manche Städte und Landkreise hätten es geschafft, größere Ausbruchsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen. Die Ausbrüche seien teilweise in Zusammenhang mit Festen oder Reisen aufgetreten. „Warum immer noch Feste gefeiert werden, ist mir unverständlich.“

Spahn betont, dass sich Deutschland wegen sehr vieler Tests früh habe vorbereiten können. Die Kapazität liege mit 300.000 bis 500.000 Tests pro Woche im internationalen Vergleich sehr hoch. Getestet werden nur Menschen mit Krankheitssymptomen. Man wolle viel testen, aber zielgerichteter, sagt Spahn.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, ergänzt, dass es keinen Sinn mache, gesunde und unauffällige Bür­ge­rIn­nen zu testen. Man habe zwar große Kapazitäten, sie reichten aber nicht, „um 83 Millionen einfach mal eben durchzutesten“. Seit dem 9. März seien in Deutschland 410.000 Tests vorgenommen worden. In Großbritannien seien es in dem Zeitraum 100.000 gewesen.

Aber wie schlimm wird es? In sozialen Netzwerken kursieren Videos weinender Ärz­tIn­nen aus Italien, dort transportiert das Militär Särge ab. Susanne Herold, Leiterin der Infektiologie der Uniklinik Gießen, gibt sich optimistisch. Deutschland habe sich lange vorbereiten können, es gebe dezidierte Pläne, Kliniken hätten aufgerüstet. Man stehe deutlich besser da als in Ländern, wo die Epidemie schlimm verlaufe. „Ich hab ein gutes Gefühl, dass wir das stemmen können.“

Spahn weist darauf hin, dass es für die Politik zugleich um Konzepte dafür gehe, dass es „eine Zeit nach Corona“ geben werde, in der man weiter gegen das Virus kämpfe, das öffentliche Leben aber schrittweise normalisiere. Dies solle auch bei Beratungen nach Ostern zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten ein Thema sein. Dabei solle darüber diskutiert werden, wie Handydaten im Krisenfall für die Klärung von Infektionsketten zu nutzen seien, sagt Spahn. Auch die Frage, wie man „besonders gefährdete Gruppen schützen“ könne, werde diskutiert.

Damit reagiert er auf vereinzelte Rufe nach Exit-Szenarien. Der Deutsche Städtetag forderte etwa Bund und Länder auf, mit den Kommunen ein Konzept für eine stufenweise geordnete Rückkehr zum Alltag zu erarbeiten. Eine geordnete Exit-Strategie wäre „ein klares Signal, um den Sorgen der Menschen zu begegnen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Rheinischen Post.