brief des tages
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Abiturzeugnis erhalten, Albtraum dazu

„Ungeprüft ins Leben?“, taz vom 24. 3. 20

Noch immer träume ich manchmal von ­meinen Abiturprüfungen. Es sind keine schönen Träume. Es sind solche, in denen ich nicht genüge, in denen ich panisch auf dem Prüfstand stehe wie bei einem Belastungstest. Wie viel kann er schaffen? Dann schlussendlich attestiert: Reifeprüfung ­bestanden. Obwohl ich dieses Zertifikat erhalten habe, finde ich bis jetzt, zehn Jahre nach meinen Prüfungen, keinen Bezug zu dieser Leistung. Habe ich doch etwas geschafft, unter widrigsten Bedingungen (ich habe vor schriftlich Mathe schon die Sterne flackern sehen, so runter war mein Kreislauf), und trotzdem konnte ich mir dafür niemals angemessen auf die Schulter klopfen. Viel eher frage ich mich immer noch: War es das wert? Auch was diese Prüfung eigentlich mit dem Leben zu tun haben soll, frage ich mich manchmal immer noch. Noch interessanter finde ich aber den Umkehrschluss zum Titel des Artikels: Gibt es ein Leben vor der Prüfung? Vielleicht ist es diese Frage, die uns weiterbringt und die Prüfung menschlich macht.

Monika L.