Abiturientendeutschland gegen die Loser: Mit der Zwei gibt's wenig Kummer

Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten. Was, wenn sich drei nicht einigen können, wer zuletzt kam? Auch die Haare werden zum Problem.

Ein Mann zeigt den erforderlichen Mindestabstand mit einem Zollstock an.

Ein Mann zeigt den erforderlichen Mindestabstand mit einem Zollstock an Foto: Sebastian Wells

Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind ab sofort verboten. Die dritte Person wird erschossen. Oder muss weggehen – da streiten sich die Gelehrten. In jedem Fall kann die praktische Durchsetzung der Verordnung schwierig werden. Wenn sich drei nicht einigen können, wer als Letztes dazugekommen ist, de facto also diese dritte Person ist, werden alle nach Hause geschickt.

Denn auf Diskussionen wie „Ich war der Erste.“ – „Nein, ich.“ – „Und ich war die Zweite. Und du warst Dritter.“ – „Das wüsste ich aber. Ich war die Erste und du warst Zweiter. Und der da Dritter.“ – „Nee, gar nicht wahr!“, soll sich die Polizei nicht einlassen.

Das wird all diesen notorischen Trittbrettfahrern und unsichtbaren Dritten eine Lehre sein. Das nächste Mal merken sie es sich garantiert besser. Wahrscheinlich wird auch bald das Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ offiziell umbenannt in „Wenn drei sich streiten, freut sich die Staatskasse.“ Denn es soll ja für die Uneinsichtigen Geldstrafen hageln.

Fünfundzwanzigtausend Schleifen. Hat noch niemand darüber nachgedacht, dass die Regierung Corona nur lanciert hat, um sich mal gründlich die leeren Taschen fett zu machen? Die Verschwörungstheoretiker sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Erstaunlicherweise gebären ausgerechnet diese Tage, die doch eigentlich wie gemalt für sie sein müssten, nur besonders zahme Verschwörungstheoretiker, die zahnlos langweiligen Schwachsinn raunen, wie „Die Lottozahlen sind vergiftet, aber wohl nur ein bisschen“, oder „Nur mit einem Toyota Corona fährt man wirklich sicher“.

Die zugelassene Anzahl der Personenkontakte wurde jedenfalls ziemlich schnell eingedampft. Vor Kurzem waren es noch Treffen mit mehr als tausend Personen. Die Tausend hat sich offensichtlich nicht bewährt. Oder wie schon Rainer Maria Rilke während einer Cholera-Epidemie in Paris nicht ohne sein berühmtes Augenzwinkern dichtete: „Die Tausend ist 'ne geile Nummer, doch mit der zwei gips wen'ger Kummer.“

Die Restaurants, die ohnehin schon reichlich eingeschränkt waren, werden endgültig geschlossen. Nun müssen wir alle selbst kochen. Das kann ja nicht jeder. Eher kann es jeder nicht. Außerdem gibt es oft nicht die gewünschten Zutaten, denn leider hamstert das clevere „Abiturientendeutschland“ (Sascha Lobo auf Spiegel Online) nun auch Essbares, im Gegensatz zum „dummen Pöbel“, wie Lobo – in Anführungszeichen fein den Anderen, den Klassisten und arroganten Proll-Hatern in den Mund gelegt – den Klopapier raffenden, mutmaßlichen Bodensatz nennt. Denn wer sollte dafür sonst verantwortlich sein, wenn nicht diese halb debilen Loser, da hat er schon völlig recht.

Und es kommt noch schlimmer. Die Friseure werden nun ebenfalls geschlossen. Bald sehen alle derart scheiße aus, da fällt dann wenigstens das Abstandhalten leichter. Auch das mit dem Skypen hört dann auf. Man muss nur aufpassen, dass man nicht über die eigenen Haare oder Bärte stolpert und dann in die anderen Verseuchten reinfällt wie in so 'ne volle Pestgrube – damit wäre die ganze schöne Maßnahme wieder komplett zunichte.

Ich warte schon auf die Namen der nach der Wiedereröffnung umbenannten Frisiersalons: „Hairzweiflung“, „Locke down“, „Corona Haarpfusch“ – da einen Termin zu bekommen wird nicht leicht. Von mir aus können sie für eine Weile gern die Preise erhöhen, denn nicht zuletzt bedeutet es ja auch einen erheblich erhöhten Arbeitsaufwand, die wochen-, monate-, jahre(?)lang mit Papierscheren, Nagelknipsern und Obstmessern gestutzten Schöpfe in eine halbwegs menschenwürdige Gestalt zurückzuführen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.