Aussetzung des EU-Stabilitätspakts: Ende der deutschen Regeln

Die EU hat den Stabilitätspakt ausgesetzt – bis das Virus besiegt ist. Eine gute Gelegenheit, das wirkungslose Instrument ganz abzuschaffen.

Eine Kugel stösst 4 andere an

Anstoss freigegeben Foto: tmeks/getty

Endlich mal eine gute Nachricht: Die Europäische Union hat den Stabilitätspakt für den Euro ausgesetzt. Damit fallen die strikten Budgetregeln, die Italien, Spanien und andere Krisenländer am Geldausgeben gehindert haben. Ab jetzt können sich die Eurostaaten unbegrenzt verschulden, bis das Virus besiegt ist.

Doch Freude will über diese Entscheidung nicht aufkommen. Schließlich kommt diese reichlich spät. Der „dumme deutsche Pakt“, wie ihn der frühere Kommissionspräsident Romano Prodi einmal nannte, hätte schon zu Beginn der Coronakrise ausgesetzt werden müssen. Am besten sollte man ihn nun gleich ganz abschaffen.

Denn für Stabilität haben die Regeln ohnehin nie gesorgt. Griechenland kam in den Euro, obwohl es die Vorgaben von Anfang an nicht erfüllte. Spanien schlitterte in die Krise, obwohl es die Regeln befolgte. Das Problem war dabei nicht die öffentliche Verschuldung, die die EU begrenzt, sondern die private Überschuldung – bei den Banken.

Trotz aller offensichtlichen Unzulänglichkeiten haben die EU-PolitikerInnen den Pakt in der Eurokrise immer weiter ausgebaut. Er wurde im Lauf der Jahre zu einem bürokratischen Monstrum, das niemand mehr versteht – nicht einmal die ÖkonomInnen. Diese haben von Anfang an am Sinn der Drei-Prozent-Grenze für das Budgetdefizit gezweifelt und immer wieder Reformen gefordert.

Deutschland hält eisern an den Regeln fest

Doch Deutschland, zugleich politischer Motor und ökonomischer Hauptprofiteur, hielt eisern an „seinen“ Regeln fest. Das führte zu massiven wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, vor allem in Griechenland und Italien. Aber auch andere Länder blieben nicht verschont, wenn die EU-Kommission im Namen des Stabilitätspakts Kürzungen im Gesundheitssektor und die Privatisierung von Krankenhäusern forderte.

Nicht weniger als 63 Mal hat Brüssel solche Empfehlungen in den letzten Jahren ausgesprochen – immer im Namen des Stabilitätspakts und der neoliberalen Ideologie, die auch im Dogma der „Wettbewerbsfähigkeit“ verankert ist. Selbst jetzt noch verspricht die EU, den Stabilitätspakt hochzuhalten – für die Zeit nach der Krise.

Dabei werden die deutschen Regeln danach noch absurder wirken. Denn die Verschuldung wird überall weit über den EU-Grenzen liegen, auch in Deutschland, das gerade Staatsschulden in Höhe von gut 156 Milliarden Euro aufgenommen hat.

Der Stabilitätspakt ist tot – man darf es nur noch nicht laut sagen.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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