Petition für Schließung von Praxen: Physio ohne Anfassen

Weil sich in Physiotherapie-Praxen Therapeuten und Patienten so nah sind, fordert eine Petition sofortige Praxis-Schließungen in Hamburg.

Massageroboter knetet einen auf dem Bauch liegenden Mann

Garantiert keine Gefahr für eine Tröpfcheninfektion: Massageroboter Foto: Fabian Strauch/dpa

Hamburg taz | Für einen Liter Desinfektionszeug müsse er mittlerweile 100 Euro zahlen, klagt der Physiotherapeut Sung-Sik Park aus Jenfeld. Und dann brauche es auch noch zwei bis drei Wochen Lieferzeit, bis es da sei. Auch Schutzanzüge und Masken seien überall ausverkauft. Wie er so seine sechs Mitarbeiter:innen und die Patient:innen schützen soll, fragt sich Park, der seit über zwanzig Jahren seine Praxis betreibt. Schon seit der vergangenen Woche habe er sein Team in Kurzarbeit geschickt. Wie es weiter gehen soll, in der Corona-Krise, weiß der Hamburger Physiotherapeut derzeit nicht.

Und er ist mit diesen Sorgen nicht allein: Die Schutzanzüge, die die Therapeut:innen ihrer Physiotherapiepraxis tragen, hat Natascha Strothteicher gerade noch im Baumarkt „zusammengekratzt“, wie sie sagt. Es sind weiße Maleranzüge.

Genau wie Park klagt auch die Eigentümerin des E.A.R.-Therapiecentrums in Norderstedt darüber, dass sehr viele Patient:innen Termine absagten. Sie habe 20 Mitarbeiter:innen und Fixkosten von mehr als 50.000 Euro im Monat. „Ein finanzieller Albtraum“, sagt Strothteicher. Auf der anderen Seite wolle sie aber ihre Mitarbeiter:innen und Patient:innen nicht gefährden, die ohnehin oft zur Risikogruppe für das Coronavirus gehören.

Ihre Therapeut:innen machten Hausbesuche. Einige Patient:innen, gerade in der Logo- und Ergotherapie, würden zudem per Videoapp behandelt. Das sei theoretisch sogar aus dem Home-Office möglich, aber nicht bei allen Patient:innen sinnvoll. „Menschen, die Gleichgewichtsstörungen haben, können Sie nicht vor dem Computer therapieren. Das ist viel zu gefährlich“, sagt Strothteicher.

Finanzielle Entschädigung gefordert

Sie sieht nur eine Lösung für das Dilemma: Die Schließung aller solchen Praxen und eine damit verbundene finanzielle Entschädigung.

Eben das fordert auch die Petition „Hamburg: Heilmittelpraxen schließen sofort“. Von solchen Praxen für Physio-, Ergotherapie oder Logopädie gehe die Gefahr aus, dass sie zum Multiplikator würden und „die Infektionswelle mit all ihren Folgen damit deutlich“ beschleunigten. Deshalb solle es nur noch eine therapeutische Notfallversorgung geben. Bisher haben 80 Menschen die Petition unterstützt.

Die Stadt Hamburg hat am Sonntag eine Allgemeinverfügung verabschiedet, die besagt, dass zwar Geschäfte wie Friseure oder Nagelstudios geschlossen werden müssen, weil es hier einen so engen Körperkontakt gibt, Heilmittelpraxen sind hiervon jedoch ausgenommen. Laut der Gesundheitsbehörde ist auch nicht geplant, daran etwas zu ändern: „Physiotherapeuten gehören zur bedarfsnotwendigen Gesundheitsversorgung und müssen deshalb verfügbar bleiben“, sagt Behördensprecherin Anja Segert.

Der Deutsche Verband für Physiotherapie rät auf seiner Homepage derzeit nicht dazu, Praxen selbst zu schließen, weil es dann nur „sehr begrenzt Entschädigungen geben“ werde. Es müsse „zuerst die Frage der Entschädigung geklärt sein, damit dann die Schließungen nicht in den Ruin führen“. Das verhandele der Verband mit der Politik derzeit auf Bundes- und Landesebene.

Strothteicher ist für eine Notversorgung. Patient:innen die etwa auf Lymphdrainagen angewiesen seien, könnten darauf nicht einfach verzichten, sonst lagere sich Wasser in Armen und Beinen ab. Aber wenn die Therapeut:innen Hausbesuche machten, müsse die Politik dafür sorgen, dass sie geschützt seien.

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